Das Hexenmal: Roman (German Edition)
an deiner Stelle würde weiterziehen. Doch, wenn du vorher noch ein Bad nehmen willst …«
Milchkarl zeigte zum anderen Ende des Ortes und sagte: »Dort hinten zwischen den Bäumen ist eine Lichtung mit einem großen Teich. Selten sind dort Menschen … Und schon gar nicht um diese Zeit, da arbeiten nämlich alle. Es wird dich also niemand stören. Zum Trocknen kannst du dich hinter die großen Steine legen. Ich muss jetzt weiter, außerdem bade ich nur einmal im Monat. Gehab dich wohl!«
Burghard planschte im Wasser und tauchte immer wieder unter, um sich Schweiß und Staub aus den Haaren und vom Körper zu waschen. Wie gern hätte er jetzt ein Stück wohlriechende Seife wie das von Barnabas gehabt.
Doch schnell verscheuchte er den Gedanken an den Magier wieder und ließ sich entspannt auf dem Rücken treiben. Am anderen Ende des großen Teichs stand dichtes Schilf, in dem sich die Enten mit ihrer Brut versteckten. Ab und an hörte der Mönch sie schnattern oder mit den Flügeln schlagen, ansonsten herrschte himmlische Ruhe.
Nach einer Weile spürte der Franziskaner Grund unter den Füßen und drehte sich auf den Bauch. Als er gerade aus dem Wasser waten wollte, schrie er vor Schreck laut auf, und sein Schrei hallte in der Stille der Natur unwirklich nach. Voller Panik kroch er auf allen vieren zurück ins tiefe Wasser. Erst als ihm der Abstand groß genug erschien, schielte Burghard zurück zum Ufer.
Vor ihm, vom Schilf fast gänzlich verdeckt, lag ein Mann wie tot auf dem Bauch, das Gesicht im feuchten Morast.
›Vielleicht schläft er nur seinen Rausch aus‹, dachte der Mönch hilflos.
Sich seiner Blöße bewusst, wagte er nicht gleich, aus dem Teich zu steigen. Nach längerem Zögern kroch er aber doch zu seinem Umhang, der noch feucht von der Wäsche war, und kleidete sich hastig an. Hilflos sah er zum Himmel.
›Was soll ich nur tun? Wenn er tot ist, kann ich ihm nicht mehr helfen. Aber wenn er noch lebt...?‹<
Burghard spürte, wie sich der Schmerz, wie so oft in letzter Zeit, in seinem Schädel ausbreitete. Erzürnt stampfte er mit dem Fuß auf. Immer, wenn er nicht weiterwusste, meldete sich seine innere Stimme, und gleichzeitig tat ihm heftig der Kopf weh. Aber es half nichts – er hatte keine andere Wahl. Schritt für Schritt ging er näher an den leblosen Körper heran – immer mit der nötigen Vorsicht.
›Wie er wohl zu Tode gekommen ist?‹, fragte sich der junge Mönch. ›Vielleicht hat ihn jemand erschlagen, und der Mörder ist noch in der Nähe …‹ Bei diesem Gedanken durchlief ihn ein Schauer, und er hoffte inständig, dass er sich täuschte.
Langsam kniete er neben dem Mann nieder. Der Kopf des Fremden war an vielen Stellen kahl, an anderen waren nur noch Stoppeln zu erkennen. Die Kopfhaut war wie angesengt, und die Kleidung schmutzig und zerfetzt. ›Also doch tot‹, dachte der Mönch traurig.
Dann plötzlich glaubte er zu erkennen, dass der Oberkörper sich leicht hob und senkte. Widerwillig und mit spitzen Fingern drehte Burghard den Mann auf den Rücken und erschrak. Bestürzt presste er die Hand auf den Mund. Der Fremde hatte Verbrennungen im Gesicht, am Hals und am Oberkörper waren deutlich Brandblasen zu sehen. Am schlimmsten jedoch war seine rechte Hand verwundet.
Der Mönch begann zu ahnen, wen er da gefunden hatte.
Burghard suchte am Ufer nach einer Entenfeder und hielt sie
dem Mann vor den Mund. Tatsächlich konnte er erkennen, wie sich die weiche Feder bewegte. Er lebte!
Der Mönch blickte zum Himmel und dankte seinem Schöpfer. Vorsichtig zog er den Körper vom nassen Ufer fort und hinter die großen Steine, wo sie nicht gesehen werden konnten. Der Mann stöhnte auf, als Burghard ihn über den unebenen Boden schleifte.
»Ich komme wieder und helfe Euch«, versprach er leise.
Der Mönch lief in die Waldlichtung, um nach Pflanzen zu suchen, die Brandverletzungen lindern konnten. Tatsächlich fand er Kletterlabkraut, Hauswurz, Eisenkraut, Adlerfarn und noch einige andere. Als er von jedem Kraut reichlich gepflückt hatte, hielt er inne. Ihm wurde erst jetzt bewusst, dass er mit den frischen Heilpflanzen nichts anfangen konnte, da sie entweder zermalmt, zerstampft, ausgepresst oder aufgekocht werden mussten. Das ein oder andere Kraut entfaltete seine heilende Wirkung gar erst, wenn es mit Fett und Öl vermischt wurde.
Verzweifelt kehrte er mit seiner welkenden Ausbeute zu dem Fremden zurück. Die Lider des Mannes flackerten, und er flüsterte etwas, das
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