Das Hexenmal: Roman (German Edition)
man eine Ziege meckern.
Der Ort wirkte unheimlich, doch zugleich zog er einen auch magisch an. Annas Blick verriet Unbehagen. Auch Magdalena schaute nicht glücklich aus. Doch dann zuckte sie mit den Achseln und folgte Beate, die auf den niedrigen Eingang zuschritt.
Drinnen empfing sie ein würziger Geruch. Der Duft erfüllte den gesamten Raum und schien im Holz der Hüttenwände festzusitzen. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sich die Augen der Frauen an das spärliche Licht im Innern gewöhnt hatten und etwas erkennen konnten. Der Raum schien verlassen, doch auf einer kleinen Feuerstelle in der Mitte köchelte ein Sud. Dampf und Qualm konnten durch ein kleines Loch in der Decke entweichen. An einer Wand waren mehrere grobe Regalbretter angebracht, auf denen Töpfe, Tiegel und allerlei Gläser mit Kräutern standen. An den Dachbohlen hingen gebundene Sträuße, von denen einige frisch und andere bereits getrocknet waren. Magdalena wollte gerade wieder nach draußen gehen, als ihr eine kleine krumme Gestalt den Weg versperrte. Erschrocken schrie sie auf. Ein Lächeln huschte über das wettergegerbte Gesicht des Mannes, das für einen kurzen Moment fast jugendlich wirkte.
»Wie ich höre, ist mein Besuch bereits angekommen. Nun, wenn man den Weg kennt …«
»Woher wisst Ihr von unserem Kommen?«
»Die Steine haben es mir verraten.«
Ungläubiges Schweigen folgte. Er zeigte mit einem krummen Wurzelstock in die hintere rechte Ecke des Raumes. Dort lag ein Wildschweinfell auf dem Boden, auf dem mehrere kleine Holzschalen mit unterschiedlich großen Kieselsteinen standen.
Skeptisch betrachtete Magdalena den alten Mann. Seine grauen Augen schienen auch sie zu beobachten. Was von seinen Haaren übrig geblieben war, hing in dünnen grauen Strähnen bis über die Schultern auf den Rücken hinunter. Seine gebeugte Gestalt war in einfaches Leinen gehüllt, das schon sauberere
Tage gesehen hatte. Einige Finger, die den Wurzelstock umklammerten, waren an den Kuppen dunkel gefärbt. Zwei Finger waren gekrümmt und hatten kleine Knötchen an den Gelenken. Als Magdalena in das Gesicht des Mannes schaute, spürte sie seine Augen auf sich ruhen. Es beschlich sie ein sonderbares Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht, doch sie konnte nicht sagen, was. Auf den ersten Blick erschien ihr nichts Ungewöhnliches an dem alten Mann. Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
»Ihr seid blind!«, stellte sie erstaunt fest. »Wie könnt Ihr dann die Steine sehen?«
Um seine grauen, fast silbrig glänzenden Augen hatten sich tiefe Falten gegraben, die jetzt deutlich zum Vorschein kamen, als sich sein Gesicht zu einem schelmischen Lächeln verzog.
»Ach, hatte ich euch das nicht gesagt?«, fragte Beate erstaunt.
»Es freut mich, dass Ihr Eure Freundinnen mit hierhergebracht habt. Auch wenn sie zweifeln … noch zweifeln. Aber ich kann Euch helfen!«, sagte er und wies mit dem Stock auf Anna.
»Fragen über Fragen quälen Euch. Dabei kennt Ihr die Antwort schon lange, wollt sie nur nicht zu Tage treten lassen …«
Annas weit aufgerissene Augen folgten dem Mann ängstlich, der sich zielsicher auf einem kleinen Schemel vor der Holzpritsche niederließ. Den Frauen wies er mit dem Stock einen Platz vor sich auf dem Boden zu, der mit duftenden Kräutern ausgelegt war. Als auch Anna sich niederlassen wollte, schüttelte der Heiler das Haupt und zeigte mit dem Stock auf das Bettlager. Zaghaft setzte sie sich auf den äußeren Rand, doch die flache Spitze der Holzwurzel drückte auf ihre Schultern, sodass sie weiter nach hinten rutschte. Magdalena, der der ängstliche Blick ihrer Base nicht entging, wollte sich neben sie setzen, als die knochige Hand des Alten sie festhielt. Der Grauhaarige schien
zu stutzen. Den Schädel leicht geneigt, saß er bewegungslos auf dem Schemel. Es sah so aus, als ob er angestrengt lausche. Dann legte er seine Hand auf Magdalenas Bauch und schien in weite Ferne zu schauen. Wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht, doch er sagte keinen Ton. Stumm nickte er und zeigte auf den Boden. Unsicher und widerstrebend setzte sich Magdalena zu Beate.
»Ihr müsst mir vertrauen«, bat der Alte. »Nur dann haben meine Kräfte Wirkung.«
»Ich vertraue Euch«, sagte Anna plötzlich mit fester Stimme. Sie schien Angst und Zweifel bezwungen zu haben. Beruhigend streichelte der Mann ihr über die Hand.
»So ist es gut, meine Tochter.«
Er redete sie mit du an, was vertraut und entspannt klang. Anna ließ sich
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