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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Menschen verehrt und respektiert wurde. Er hingegen war in den Augen seiner Umgebung nur ein dummer Bauer, der es mit Schläue und Härte geschafft hatte, sein Erbe zu vervielfachen, was ihn aber nicht intelligenter machte als den Rest der Hundeshagener Bürger. Sein einziger Vorteil war die Verwandtschaft zum Pfarrer von Tastungen durch seine Heirat mit Annerose Lambrecht. Nur dadurch wurde er nicht übersehen und durfte an dem runden Tisch im Gasthaus Platz nehmen.
    Lambrecht zog die Stirn in Falten und überlegte. Was meinte Bonner mit seinen Andeutungen, dass Franziska ebenfalls Braut sein würde? Um Zeit zu schinden, ging er zur Anrichte und goss sich einen Krug Bier ein. Unbehagen machte sich in ihm breit. Der Pfarrer fürchtete, dass sein Schwager abrupt das Gespräch beenden und auf direktem Wege nach Duderstadt reiten würde, um beim Amtmann Klage gegen Franziska einzureichen. Das wäre das Ende von Lambrechts Anstrengungen, dem Mädchen zu helfen. Man würde Franziska in Gewahrsam nehmen und im Rathaus in den Kerker sperren, angekettet an die dicke Steinwand, hilflos dem Kerkermeister ausgeliefert. Plötzlich verfinsterte sich sein Gesicht: »Du willst doch wohl nicht das Mädchen dem Henker zur Frau geben?« Der Bauer tat geschockt, zuckte dann aber nur ironisch lächelnd mit den Achseln.
    »Ich sagte dir doch, dass sie nicht allein bleiben wird. Reg dich nicht auf, Lutz, es gibt Schlimmeres, als die Frau des Henkers zu werden.«
    »Lass davon ab, Casper, lass endlich gut sein! Sie hat nichts getan, um ein solches Schicksal ertragen zu müssen und wie eine Aussätzige aus der Stadt getrieben zu werden. Nein, Casper, das wird dir nicht gelingen …«
    »Nun, dann wird sie brennen müssen!«
    »Du Scheusal! Was hat dich nur dazu getrieben, ein derart schlechter Mensch zu werden? Hat Satan von dir Besitz ergriffen? Nicht Franziska, sondern du bist schuldig! Was, wenn
ich den Spieß umdrehen und den Menschen eine andere Geschichte erzählen würde?«
    »Du redest dummes Zeug! Niemand würde sich darauf einlassen, zumal ich Beweise habe, die eindeutig bezeugen, dass sie eine böse Frau ist. Bei dir, mein Lieber, könnte man annehmen, dass sie auch dich verhext hat …« Der Bauer lächelte siegesgewiss, denn er spürte nur zu deutlich Lambrechts Verzweiflung. Als der Pfarrer antwortete, überschlug sich seine Stimme fast: »Die ›Spruchkörper‹ werden nie und nimmer eine so junge Frau verurteilen. Eine tote Katze und eine dumme alte Köchin werden nicht ausreichen, um sie als Hexe anzuklagen.«
    Die Worte hallten im Raum wider, als ob sie von der Höhe einer Kirchenkanzel gepredigt worden wären. Der Bauer schüttelte den Kopf. Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und signalisierte mit seiner Körperhaltung, dass er sich seiner Überlegenheit bewusst war.
    »Was interessieren mich die gelehrten Juristen? So weit wird es nicht kommen. Der Duderstädter Rat wird sie einsperren lassen und den Schlüssel dem Henker Görtteler aushändigen. Alles Weitere wird sich finden.«
    Lambrechts Beine zitterten. Er hielt sich an der Tischkante fest. Es gab keine Zweifel, Bonner hatte alles genauestens geplant.
    ›O Gott‹, flehte der Pfarrer in Gedanken, ›hilf mir! Sende ein Zeichen.‹ Mit zittriger Hand führte er den Krug zum Mund, derweil der Bauer ihn geringschätzig musterte.
    »Nun, ich denke, dass alles gesagt ist, lieber Schwager. Es ist kurz vor Mittag, und ich möchte mich gleich auf den Weg nach Duderstadt machen.«
    Plötzlich verdunkelte sich das Zimmer, und ein Donnergrollen war zu hören. Bonner trat an das kleine Fenster der Wohnstube und sah zum Himmel hinauf. Wieder war das Donnern zu hören. Die Wolken zogen rasch vorbei und wurden stetig dunkler und bedrohlicher.
    »Sonderbar! Von einem Gewitter war heute Morgen noch nichts zu spüren«, sprach der Bauer mehr zu sich selbst.
    »Vielleicht schickt dir unser Herrgott ein Zeichen!«, meinte Lambrecht ernst. Wieder sah Bonner seinen Schwager spöttisch an: »Auf solch einen absurden Gedanken kannst auch nur du kommen. Nun, dann müssen wir die Angelegenheit wohl auf morgen verschieben. Hoffentlich haben die Knechte das Gras bei Wintzingerode schon geschnitten …«, fügte er nachdenklich hinzu.
    Lutz hörte seinem Schwager nicht mehr zu. Wintzingerode! ›Ich danke dir, o Herr‹, dachte der Pfarrer und verließ hastig und ohne Gruß das Zimmer.
    »Pass auf, dass du nicht nass wirst. Bis nach Duderstadt ist es weit!«, rief der Bauer dem

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