Das Hexenmal: Roman (German Edition)
spöttisch und zeigte auf seinen Bauch.
»Nun gut, dann werde ich mich auf meine Gastfreundlichkeit besinnen und in die Küche gehen.«
Als die Tür sich hinter der Freifrau schloss, atmeten beide Männer hörbar aus.
»Sie ist heute sehr gesprächig!«
»Sie ist guter Hoffnung, vielleicht liegt es daran. Ihr wisst es aber nicht von mir!«
Lachend beglückwünschte der Pfarrer seinen Freund. Doch dann fragte der Freiherr: »Was ist passiert, Lutz?«
»Ihr kennt mich gut, Adolph …«
»Ja, das stimmt, mein Freund! Die Falte zwischen Euren müden Augen kommt nur zum Vorschein, wenn etwas geschehen ist, das Euch den Schlaf raubt.«
Lambrecht, der an die Rückenlehne des wuchtigen Holzstuhls gelehnt stand, ging näher ans Feuer heran. Die Kaminöffnung war fast mannshoch, und so stützte er sich mit der einen Hand an dem Sims über seinem Kopf ab. In der anderen hielt er noch
immer den Becher, doch der Wein war mittlerweile kalt und schmeckte bitter, weshalb er ihn auf dem Sims abstellte.
»Etwas Schreckliches wird passieren, Adolph, und selbst ich als Pfarrer kann es nicht verhindern. Ich weiß mir keinen Rat mehr. Deshalb bin ich hier. Ich brauche Eure Hilfe … Sie braucht Eure Hilfe. Ihr müsst Eure Macht und Stellung nutzen, um ein Menschenleben zu retten …«
»Seid Ihr in Schwierigkeiten, Lutz?« Mit großen Augen sah Adolph seinen Freund an. Als Lambrecht verstand, was sein Freund von ihm dachte, verengten sich seine Augen.
»Ihr kennt mich anscheinend doch nicht. Wie könnt Ihr nur so etwas für möglich halten?«
»Nun ja«, verteidigte sich der Freund beschämt, »wenn Ihr in Rätseln sprecht, dann müsst Ihr mir diese Annahme zugestehen. Erzählt endlich, um was es geht. Welches Menschenleben soll ich retten? Jedenfalls scheint es Euch sehr wichtig zu sein, sonst würdet Ihr nicht bei diesem Wetter nach Bodenstein kommen.«
»Jedes Menschenleben ist es wert, gerettet zu werden …«
»Entschuldigt! Ja, Ihr habt Recht, also, wer ist sie? Ist sie krank?«
Lambrecht drehte sich um und erzählte die Geschichte seines Neffen und dessen Liebe zu Franziska. Tränen der Erschöpfung, der Wut und der Angst brannten in seinen Augen. Doch dann wurde er lauter und sprach mit Nachdruck.
»… und wenn sie in Duderstadt in Gewahrsam genommen wird, ist das ihr Untergang. Ihr, als Freiherr von Wintzingerode, müsst sie in Verwahrung nehmen. Hier auf Bodenstein …«
Der Freiherr war auf und ab gegangen und hatte aufmerksam zugehört, doch als er die Bitte des Freundes vernahm, blieb er abrupt stehen und sah ihn zweifelnd an.
»Das kann nicht Euer Ernst sein, Lutz. Ich kann mich doch nicht gegen Duderstadt stellen. Ich hätte wahrscheinlich sämtliche
Gerichtsleute gegen mich. Außerdem eine Hexe … Nein Lutz, das ist mir zu unheimlich!«
Als Adolph den verständnislosen Blick seines Freundes sah, fügte er hinzu: »Wäre sie des Diebstahls angeklagt oder gar des Mordes, dann hätte ich keine Bedenken, sie auf der Burg ins Verlies zu stecken. Aber eine böse Frau … Wenn das bekannt wird, dann könnte das schwerwiegende Folgen für die Familie von Wintzingerode haben. Auch wäre ich meine Bediensteten los, und selbst meine Gattin würde sicherlich die Burg verlassen wollen. Bedenkt bitte ihren Zustand! Wenn dem Kind etwas passiert, dann wird man dem Mädchen die Schuld dafür geben. Nein, Lutz, bei aller Liebe zu unserer Freundschaft, Ihr verlangt zu viel. Auch mir wäre nicht wohl zumute, solch eine Person unter meinem Dach zu wissen.«
Lambrecht war fassungslos. Mit dieser Gegenrede hatte er wahrlich nicht gerechnet. Da er an Franziskas Unschuld glaubte, war er davon ausgegangen, dass sein Freund Adolph ebenfalls so denken würde. Erneut versuchte er, den Freiherrn zu überzeugen.
»Ich bitte Euch, Adolph, ich kenne das Mädchen. Sie ist weder böse noch eine Hexe. Sie ist so unschuldig wie jede andere Frau auf der Burg.«
Doch Adolph Ernst von Wintzingerode äußerte sofort weitere Bedenken: »Wenn die Leute hören, dass ich hier auf der Burg einer angeklagten Hexe Unterschlupf gewähre, werden sie mich höchstwahrscheinlich ebenfalls anklagen. Doch auch wenn ich zustimmen würde, so einfach, wie Ihr Euch das vorstellt, geht das nicht, Lutz. Auch ich muss Vorschriften beachten. Wenn ich mich gegen die Anordnung von Duderstadt stellen würde, dann müsste ich das zuerst mit dem Senior der Familie von Wintzingerode besprechen. Schließlich müssen wir bedenken, welchen Schaden unser Geschlecht
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