Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Gesprächspartner auf: »Esst, mein Freund. Ihr werdet Euch stärken müssen, denn der Weg nach Duderstadt und zurück auf die Burg wird anstrengend werden …«
An seine Frau gewandt, sprach er: »Hedwig, ich werde dir später alles erklären, denn es gibt viel zu tun. Doch jetzt lass Lutz in Ruhe sein Mahl zu sich nehmen. Bitte, meine Liebe, sieh zu, dass seine Kleidung trocken ist, wenn er uns gleich wieder verlässt.«
Ohne ein weiteres Wort ging seine Frau hinaus. Adolph Ernst wies einladend zu dem Mahl auf dem Tisch und forderte Lambrecht auf: »Nun greift zu, damit Ihr mir nicht vom Pferd fallt. Ich werde zwischenzeitlich alles für das Mädchen vorbereiten. Allerdings werde ich sie wie eine Gefangene behandeln und im Kerker einsperren lassen.«
»Mehr habe ich nicht verlangt, Adolph. Ich danke Euch, mein Freund!«
»Dankt nicht mir, Lutz, sondern ihm!«, meinte der Freiherr und wies auf das Porträt.
Kapitel 19
Seit seine Schwester Anna in Erfurt weilte, versuchte Clemens, ihrem Mann aus dem Weg zu gehen. Das bereitete ihm auch keine große Mühe, da Münzbacher sich kaum blicken ließ. Niemand auf dem Gestüt wusste, wo er sich herumtrieb. Im Grunde interessierte es auch keinen, hatte er doch die Eigenschaft, Unruhe und schlechte Laune zu verbreiten.
War er nicht auf dem Hof, so war die Stimmung unter den Mägden und Knechten fröhlich. Ahnte das Gesinde jedoch Münzbachers Anwesenheit, verstummten die Gespräche, und die Gesichtszüge der Menschen auf dem Gestüt verhärteten sich. Auch wenn jeder gewissenhaft seine Arbeiten verrichtete, fand der Herr stets einen Grund, damit nicht zufrieden zu sein. Oft fluchte er grundlos über die Knechte und warf den Mägden hässliche Bemerkungen an den Kopf.
Clemens hingegen kam mit jedem zurecht und hatte immer ein nettes Wort auf den Lippen. Obwohl er erst neunzehn Jahre alt war, achtete das Gesinde ihn als jungen Herrn.
Heute sollten die einjährigen Fohlen zusammengetrieben werden, die der Pferdehändler Rehmringer gekauft und auch schon bezahlt hatte. Clemens und einige Knechte versuchten in einer Herde von über fünfzig Pferden die Einjährigen zu trennen. Doch immer wieder gelang es den wilden Fohlen auszubrechen und in alle Richtungen zu laufen.
›Zum Glück ist der Boden trocken, sonst würden sie erheblichen Schaden auf der Koppel anrichten‹, dachte Clemens außer Atem vom schnellen Laufen.
Kaum hatten sie die Herde in eine Ecke gedrängt, schaffte es stets ein Pferd aufs Neue, an den Knechten vorbeizupreschen, und sogleich folgten die übrigen. So ging es fast zwei Stunden
lang. Erschöpft ließen sich die Männer ins Gras fallen. Die Kleidung klebte ihnen an den verschwitzten Körpern und die Zunge am Gaumen. Mägde mit Wasserkrügen kamen lachend zu ihnen gelaufen und erlösten sie von ihrem Durst.
Auch Clemens lag atemlos auf der Weide. Dankend nahm er einen Becher mit klarem Wasser an. Mit dem Handrücken wischte er sich die Tropfen von den Lippen.
»Heinrich muss her!«, sagte er zu den anderen.
»Er ist doch viel zu alt, um hinter den Gäulen herzulaufen. Heinrich bricht womöglich zusammen und stirbt uns auf dem Feld«, meinte einer der Knechte zweifelnd.
»Paul, du Dummkopf! Heinrich soll die Pferde nicht jagen, sondern er hat die meiste Erfahrung und wird wissen, wie wir es anstellen können, die Fohlen aus der Herde zu sortieren. Ich wollte ihn bereits heute Morgen fragen, aber er war nicht in seiner Kammer.«
»Jetzt, da du es erwähnst, Clemens, fällt mir auf, dass ich ihn schon länger nicht mehr gesehen habe. Auch zum Abendbrot und zum Frühstück ist er nicht erschienen …«
»Wollte er nicht in den Wald, um die Bäume zu markieren, die geschlagen werden sollen?«
»Ja, ich kann mich daran erinnern, wie Münzbacher ihm den Auftrag dazu gab. Ich glaube es war vorgestern, als ich die beiden zusammen gesehen habe.«
Clemens überlegte, wann er zuletzt mit Heinrich gesprochen hatte.
›Das muss ebenfalls vorgestern gewesen sein‹, dachte er. Nun fiel ihm ein, dass Heinrich ihn dringend sprechen wollte, aber da Clemens mit dem Verkauf der Pferde und den Formalitäten beschäftigt gewesen war, hatte er ihn auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Doch dann hatte er es einfach vergessen.
Erst jetzt kam Clemens in den Sinn, dass der alte Knecht ziemlich aufgewühlt gewirkt hatte.
›Vielleicht gab es Streit mit seiner Tochter Bärbel‹, dachte Clemens. Laut sagte er: »Elsbeth, schau noch mal bei Heinrich in der
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