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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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ältere Mann. Bereitwillig gab er Auskunft. Doch schon bald glaubte Münzbacher, genug über Pferdezucht erfahren zu haben und bestimmte fortan die Regeln. Vor allem aber drängte er Clemens in die Rolle eines Knechts. Er gab dem Jüngeren Anweisungen, als wäre er selbst schon immer Herr auf dem Hof gewesen. Setzte Clemens sich zur Wehr, erklärte der Schwager nur: »Es steht dir frei zu gehen … wohin du willst!« Dabei schienen sich seine grauen, kalten Augen in Clemens’ zu bohren. Dann, nur Sekunden später, klopfte Münzbacher ihm auf die Schulter und lachte lauthals. So, als ob ihm ein guter Scherz gelungen wäre.
    Zuerst glaubte Clemens tatsächlich, dass der Schwager seine Späße mit ihm trieb. Doch mit der Zeit wurde sein Ton barscher, seine Bemerkungen eindeutiger. Clemens, der durch das Testament seiner Eltern finanziell an seine Schwester gebunden war, wurde kleinlaut und wagte keinen Widerstand.

    Clemens liebte es, in den Stallungen herumzulungern und seinen Gedanken nachzuhängen. Plötzlich kam ihm die Erinnerung an den Vorabend in den Kopf, als er im Wirtshaus »Zum schwarzen Eber« mit seinen Freunden Bier getrunken und sich beim Würfelspiel vergnügt hatte. Münzbacher war ebenfalls im Schankraum gewesen und hatte ihn nicht aus den Augen gelassen. Clemens war nicht verborgen geblieben, dass der Schwager ihn scharf beobachtete, was ihn nervös machte. Als er dann mehrere Male hintereinander verloren hatte, war ihm das Spiel verleidet. Er hatte aufgehört und sein Vergnügen im Trinken gesucht. Erleichtert hatte er Münzbacher einige Zeit später austrinken und das Wirtshaus verlassen sehen. Gerade rechtzeitig, denn Ruth, die Magd des Wirtes, hatte sich an seinen Tisch gesellt. Da Clemens keine Lust hatte, nach Hause zu gehen, verbrachte
er nur zu gern die Nacht mit dem Mädchen in deren Stube. Zwar brummte ihm am nächsten Morgen der Kopf, doch das war ihm der Abend wert gewesen.
    Clemens wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er lautes Geschrei aus dem Stall hörte.
    »Zieh das Mistvieh endlich von der Wand weg!«
    »Verdammt! Sie steigt.«
    Hufschlagen war zu hören, Flüche und ein Wehgeschrei.
    Clemens lief rasch auf die andere Seite des Stalls.
    Zwei Knechte, von denen der eine sich den Fuß hielt und auf einem Bein hüpfte, sowie Münzbacher waren in dem abgeteilten Verschlag mit einer trächtigen Stute zugange. Sein Schwager zog am Führstrick, doch die Stute stieg erneut in die Höhe und trat dabei mit den Vorderhufen in die Luft. Dicht an Münzbachers Kopf vorbei, dem nun die Zornesröte ins Gesicht schoss.
    »Du verdammte Mähre. Ich bring dich zum Abdecker …«
    Clemens brauchte keine Minute, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
    Der Boden war glitschig und nass. Die Fruchtblase war geplatzt, und das Fohlen wollte auf die Welt. Doch die Mutterstute presste ihr Hinterteil gegen die Rückwand. Dadurch ging die Geburt nicht vorwärts und verursachte dem Tier unnötig Schmerzen.
    »Verdammt, Wilhelm! Ich habe dir gesagt, dass die Stute auf die Koppel soll. Es ist ihr erstes Fohlen …« Weiter kam er nicht, da wurde er von seinem Schwager angeschrien: »Was erlaubst du dir, du Taugenichts? Stinkst aus dem Maul, als ob du gerade aus dem Wirtshaus kommst, und willst mir, der sich für den Erhalt des Gestüts abrackert, sagen, was ich zu tun habe?« Immer noch hielt Münzbacher den Strick in den Händen und versuchte, den Kopf des Pferdes nach unten zu ziehen. Zuerst wollte Clemens sich nach dieser Zurechtweisung wortlos auf
dem Absatz umdrehen und gehen, doch als er die weit aufgerissenen, angstvollen Augen der Stute sah, packte ihn ebenfalls die Wut und er schleuderte dem Schwager entgegen: »Es reicht! Geh mir aus dem Weg, oder ich vergesse mich!« Zuerst schien der Angesprochene überrumpelt, doch im nächsten Augenblick blaffte er: »Drohen willst du mir?«
    »Rede keinen Unsinn und tritt zur Seite, Wilhelm. Hier geht es nicht um dich oder mich, sondern um das Pferd.«
    »Jeder hier hat gehört, dass du mich bedroht hast …«
    Clemens ignorierte die letzten Worte des Schwagers, und als er nicht zur Seite trat, stieß er ihn in die Rippen, damit er endlich das Pferd losließ. Münzbacher taumelte, und Clemens rechnete mit einem Gegenschlag. Kurz ballte der Ältere auch die Fäuste, zuckte dann aber nur mit den Achseln und verließ ohne ein weiteres Wort den Stall. Draußen konnte er sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Sollte sich dieser

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