Das Himmelbett
mich auch.«
Stufenweise kehrte er ins Bewußtsein zurück. Er schlug die Augen auf.
»Hej«, sagte er matt. »Woher kommst du?«
Niemals war ihr eine Stimme lieblicher erschienen. Das Weinen überkam sie von neuem.
»Ich konnte es nicht aushalten, nur zuzuhören«, weinte sie. »Ich konnte nicht.«
Er hob die Hände und berührte ihre tränenüberströmten Wangen mit den Fingerspitzen. Die Lippen murmelten Worte des Trostes. Diese Zärtlichkeit umgab sie wie ein Fluidum.
»Schläfst du nachher mit mir?« fragte sie und machte einen bebenden Atemzug.
Er schmunzelte.
»Erst solltest du mich ein bißchen Atem schöpfen lassen«, sagte er und streichelte ihre Schultern.
In der Kajüte fuhr Ullabritt plötzlich hoch.
»Wer schreit da?« fragte sie schlaftrunken.
Die Sonne schien schräg durch die Ventile und beleuchtete Gudruns leere Koje. Ullabritt schüttelte den Kopf.
»Und wir haben den Daumen draufgehalten«, sagte sie traurig.
Barbro gähnte.
»Das scheint hier wie mit den >Zehn kleinen Negerlein< zu enden«, meinte sie.
»Ich frage mich nur, wen es das nächste Mal erwischt.«
Als Katarina am nächsten Morgen aufstand, hatte sie ihren Entschluß gefaßt. Sie kochte Kaffee und machte belegte Brote zurecht, während Barbro und Ullabritt den Tisch deckten. Eins nach dem anderen tauchten die restlichen Mädchen auf, zerzaust, verschlafen, verlegene Blicke auf Katarina werfend.
Zuletzt kam Rolf. Mit gutem Appetit machte er sich über die Brote und den Kaffee her und wirkte mit sich und der Welt zufrieden. Katarina beobachtete ihn heimlich.
»Ich habe einen Vorschlag«, verkündete sie. »Eigentlich zwei.« Sie vermied es, ihn anzusehen. »Der eine ist, daß du deinen Urlaub mit uns auf dem Segelboot verlebst« — sie machte eine kurze Pause — »der andere, daß du Papa ein neues Boot für dich kaufen läßt... ohne die Polizei hineinzuziehen.«
Sie verstummte jäh. Hatte sie ihn jetzt auf den Baum gebracht? Unruhig starrte sie auf die halbgegessenen Brote.
»Na, ja«, hörte sie ihn schließlich antworten. »Das ist ja ein ganz annehmbarer Haufen hier, und wenn dein Papa mein zerstörtes Boot bezahlt, pfeif ich auf die Polizei.«
Margareta und Gunilla brachen in laute Jubelrufe aus. Gudrun klatschte in die Hände, und Lena warf sich an seinen Hals. Er hob die Hand, um sie zu dämpfen.
»Eine Bedingung«, sagte er. »Ich übernehme die Navigation. Es sollen nicht noch mehr Unglücke passieren.«
Katarina wollte protestieren, fand aber plötzlich keine Worte. Und im übrigen hätte sie in diesem Jubel keiner gehört. Einen Augenblick wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Man ließ sie im Segeln durchfallen — sie, die ihr ganzes Leben lang gesegelt hatte. Von allen dummen, eingebildeten und selbstsüchtigen Menschen war er die Krönung — eine absolute, vollkommene Krönung.
Eine halbe Stunde später kreuzten sie durch Trängskärsviken mit Rolf am Ruder. Barbro mit Segelpullover und weißen Shorts war aufs Vorschiff kommandiert worden, um Ausschau zu halten. Dort saß sie mit angezogenen Knien, und der Widerwille, mit ihm Zusammenarbeiten zu müssen, kroch über ihren ganzen Rücken. Katarina spürte einen gewissen Trost. Rolf würde es nicht leicht mit Barbro haben. Auch nicht mit Ullabritt, die neben Katarina auf der Ruderbank saß, erfüllt von Freundschaft und Solidarität. Von dieser Ware brauchte man jetzt viel. Katarina sah zu Boden. Es war komisch, auf seinem eigenen Boot zu sitzen und nichts zu tun — verdammt komisch.
»Katarina.« Rolfs Stimme klang bittend. »Sei nicht betrübt. Ich habe ja nur Angst um das Boot deines Vaters.«
Der Sitzbrunnen erschien plötzlich quälend eng.
»Mach dir keine Gedanken um mich«, antwortete sie. Die Zunge war schwer. »Ich sitze nur hier und ruhe mich aus.«
Er sah mit Wohlbehagen um sich. Welcher Tag zum Segeln. Das Boot, der Wind, die Mädchen, grüne, lockende Strände, ein Himmel ohne Wolken. Aber bald nagte das Gewissen wieder an ihm.
»Hast du irgendwelche Befehle?« fragte er. »Schließlich bist du doch der Kapitän auf diesem Kahn.«
Sogar diese Aufforderung verwandelte sich in eine Demütigung. Sie starrte auf den Boden. »Keine besonderen«, erwiderte sie.
Gudrun, die auf Deck lag und sich sonnte, hob den Kopf.
»Und das Essen?« fragte sie. »Wir müssen uns wohl verproviantieren.«
Rolf fühlte sich plötzlich irritiert. Was war das für eine Art und Weise von Katarina zu schmollen. Sie tat, als wollte er ihr die
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