Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
kurz vor dem Durchbruch steht, dann droht Torschlusspanik. Und so werde ich unter Umständen mangelhafteQualität, unzureichende Planung oder völlig überhöhte Kosten in Kauf zu nehmen bereit sein. Hektischer Aktionismus tritt dann an die Stelle von Nachdenken und überlegtem Handeln.
Die meisten Menschen neigen im Brandfall zu unüberlegten, im günstigsten Fall hilflosen, im schlimmsten Fall sogar lebensgefährlichen Handlungen. Wer in hochriskanten Berufen arbeitet, also etwa Polizisten, Feuerwehrleute, Piloten und Flugbegleiter oder Experten beim Kampfmittelräumdienst, wird eben deshalb langwierig darauf trainiert, impulsive Reaktionen von Angst, gar von Panik bewusst zu kontrollieren und selbst in brenzligsten Situationen einen kühlen Kopf zu behalten.
In stark abgestufter Form gilt dieses Gebot auch bei der Suche nach Lösungen in anderen kritischen, wenn auch weniger bedrohlichen Situationen. Jeder kennt das: So sehr ich mich bemühe, die Gedanken wollen nicht fließen, die Lösung eines Problems will mir partout nicht einfallen. Wer sich in so einer Situation selbst unter Druck setzt, wer sozusagen am Ventil oder am Wasserhahn herumfummelt, statt zu bemerken, dass er sprichwörtlich auf dem Schlauch steht, wird der Sache nicht näherkommen, sondern bloß seinen Adrenalinspiegel nach oben schrauben. Mit dem Resultat, dass er das urmenschliche Alarmsystem startet. Und das drängt nun einmal zur schnellen Flucht und nicht zum überlegten Handeln.
Denn jene unserer Vorfahren, die bei jedem Rascheln im Gebüsch erst nachgedacht haben, ob dahinter ein Löwe oder ein Vogel steckt, sind alle von einem Löwen gefressen worden. Dass sie sich zuvor viele Male, anders als die unreflektierten Angsthasen, einen kräftezehrenden Sprint erspart haben, hat ihnen am Ende nichts geholfen. In einer bedrohlichen natürlichen Umwelt ist es schlicht vorteilhafter, ohne genaue Prüfung der Gegebenheiten Fersengeld zu geben. Einige tausend Jahre menschlicher Zivilisation haben nicht genügt, dieses über Jahrmillionen bewährte Programm weitgehend stillzulegen.
Doch die Fragen und Probleme der heutigen Zeit sind in 98 von 100 Fällen keine Löwen. An die Stelle gegenwärtiger Gefahren,auf die wir sofort reagieren müssen, sind überwiegend künftige Risiken getreten, die es nüchtern abzuwägen gilt. Wer angesichts dessen unter Stress handelt, zieht häufig die schnelle und schlechte einer besseren, überlegten Lösung vor. Damit vergeudet er Kräfte und Ressourcen, obwohl es bei uns höchst selten um Entscheidungen auf Leben und Tod geht. Anders als in der Wildnis sind in der Zivilisation, erst recht in unserer modernen Welt mit ihren komplexen Zusammenhängen, das Nachdenken, die Geduld und die Fähigkeit, auch einmal abzuwarten, durchaus von Vorteil.
Deshalb liegt gerade im Bereich des Schöpferischen in der Ruhe die Kraft. Natürlich muss irgendwann gehandelt werden. Würden wir eine unternehmerische Entscheidung so lange hin und her wälzen, bis wir auch noch wissen, was sie für unsere Markposition auf Tonga bedeutet, dann gäbe es unsere Firma längst nicht mehr. Und schöbe ich immer nur jene Papierschnipsel hin und her, die ich für die Ideenfindung nutze, dann wäre mein malerisches Oeuvre überaus schmal. Wenn aus der Idee kein Produkt, kein Gemälde, keine Tat wird, dann hat sie am Ende eben auch nichts getaugt.
Wir sollten jedoch deshalb Aktivität nicht mit Aktionismus verwechseln. Der Aktive greift eine gereifte Idee auf und ergreift die Chance, die in ihr liegt. Er wird erfolgreich sein, wenn er die Sache hinreichend durchdacht hat. Der Aktionist macht dagegen in der Regel bloß Wind, sei es nun aus Übermut, aus Leichtsinn oder aus purer Ratlosigkeit, wie er es eigentlich anstellen soll.
Wenn es an einer durchschlagenden Idee fehlt, ist es daher oft besser, erst einmal nichts zu tun und abzuwarten. Ich habe es jedenfalls oft erlebt, dass genau im Zurücknehmen und im Pausieren der Raum entsteht, in dem Neues zutage kommen kann. In diesem Vertrauen auf die Kraft der Ruhe kann ich auch in kritischen Situationen warten, bis der richtige Einfall kommt. Denn wohl ist oft das Gute des Besseren Feind. Das Falsche ist es aber allemal.
Guter Rat ist nicht immer teuer
Wenn die rechte Idee sich nicht einstellen will, kann es oft auch sehr hilfreich sein, den Rat Dritter zu suchen. Denn Außenstehende blicken unvoreingenommen auf eine Sache. Wogegen die direkt Betroffenen vielleicht betriebsblind geworden sind und
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