Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Sichtweise.
Aus ganz ähnlichen Gründen mag ich auch den Begriff der „abhängigen Beschäftigung“ nicht sonderlich. Denn entweder ist er Ausdruck einer Banalität: In einem Unternehmen wie in einer arbeitsteiligen Gesellschaft sind letztlich alle von allen abhängig. Oder er sagt das Gegenteil von dem aus, was einen guten Mitarbeiter ausmacht: dass er nämlich eigenständig mit anderen Menschen zusammenarbeitet und aus eigener Einsicht handelt. Und dass er selbst in seinem Tätigwerden für andere einen Sinn sieht, folglich auch Freude an seiner Arbeit hat. All dies aber ist weder mit Machtworten noch mit Geld allein zu erreichen. Es basiert auf einer zumindest grundsätzlichen Überzeugung vom guten Sinn der Arbeit, die einer leistet. Daraus folgt: Nicht nur ich selbst und unser Unternehmen müssen ein klares Profil haben. Jeder Mitarbeiter muss seine Talente entfalten, sein Profil zeigen können.
Macht ist Mittel zum Zweck, niemals Selbstzweck. Von daher ist sie auch immer nur so gut wie ihre Zwecke selbst es sind. Unsere Ziele werden wir jedoch – zusammen mit anderen –nicht erreichen, wenn wir unsere Macht auf materieller Abhängigkeit zu gründen versuchen. Noch weniger ist „Macht“ ein System von Befehl und Gehorsam. Zumal noch eines, bei dem die Lautstärke auf dem Kasernenhof als Zeichen der Schlagkraft einer Armee gelten darf. Über den Unsinn ständigen und ausschließlichen Anordnens habe ich schon gesprochen. In Einzelfällen, zumal wenn es pressiert, mag so ein „Machtwort“ schon mal helfen. Doch bereits auf mittlere Sicht entpuppt sich das Verfahren als Sackgasse, an deren Ende Schilder mit Aufschriften wie „Dienst nach Vorschrift“ oder „Innere Kündigung“ stehen. Übergehe ich ständig meine Mitarbeiter, interessiere ich mich nicht für ihre Begabungen, Eigenheiten und Meinungen, mache ich sie gar noch beständig herunter, dann werde ich meinen Führungsanspruch nicht durchsetzen können. Ich kann höchstens ein System der Angst etablieren. Aber die ist bekanntlich nicht nur ein schlechter Ratgeber, sondern im menschlichen Miteinander auch ein lähmendes Nervengift erster Güte.
Es mag schön sein, Macht zu haben. Aber wer sie hat, sollte stets wissen, wer sie ihm gegeben hat. Und wie lange er sie ausüben wird. Dann relativiert sich die Perspektive sehr. Wenn ich weiß, dass mir Macht nur auf Zeit und unter bestimmten Bedingungen zuteil geworden ist, dass sie mir unter anderen Bedingungen also auch wieder genommen werden kann (oder zumindest nicht mehr akzeptiert wird), dann werde ich sie verantwortungsvoll auszuüben versuchen. Ich werde Rücksicht auf die Meinungen und Belange derjenigen nehmen, die mir eben gerade nicht „gehorchen“ – sondern die mir folgen, wenn ich sie von meiner Sicht der Dinge halbwegs überzeugen konnte.
Das wiederum hängt davon ab, ob mir die Leute vertrauen. Und zwar nicht allein in dem Sinne, dass ich es ehrlich mit ihnen und mit der Sache meine. Sondern auch in dem Sinne, dass sie auf meine Erfahrung, mein Wissen und mein Können als Unternehmer vertrauen. Dass sie wissen: Der redet nicht nur daher, er geht auch selbst mit gutem Beispiel voran. Vor allem aber, dass Menschen meine Begeisterung für eine Idee oder für ein Ziel grundsätzlich teilen. Macht in diesem positiven Sinnemeint nicht so sehr, dass ich formell das Sagen habe. „Macht“, wie ich sie verstehe, ist eigentlich nur ein anderes Wort für „Autorität“. Und die kann keiner sich selbst zusprechen. Autorität wird einem ausschließlich von anderen zuerkannt.
Dabei hilft es sehr, wenn ich nicht immer nur andere von meinen eigenen Ideen überzeugen möchte, sondern wenn ich stets zugleich ein offenes Ohr für fremde Ideen und Argumente habe. Und wenn ich gegebenenfalls auch ohne Umschweife zugebe, dass ein anderer eine bessere Idee hatte als ich selbst. Wer zeigt, dass er sich selbst überzeugen lässt, kann auch andere besser überzeugen.
Nicht zuletzt hat Überzeugungskraft etwas damit zu tun, dass einer bei den Menschen den richtigen Ton trifft. Der abstrakte, seelenlose Management-Jargon, der auf den oberen Führungsebenen vieler Großunternehmen und Konzerne sowie von Unternehmensberatern gepflegt wird, ist meines Erachtens Lichtjahre vom Denken und von der Sprache normaler Menschen entfernt. Folglich sollte sich niemand wundern, wenn diese glauben, damit würden die wahren Interessen der „Mächtigen“ bloß vernebelt. Ich spreche lieber eine klare und
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