Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
der konkreten Sache sinkt spürbar, das Vertrauen erodiert. In letzter Konsequenz kann das für ein Unternehmen bedrohliche Züge annehmen. Wer sich zu oft übergangen fühlt, spricht irgendwann die innere Kündigung aus. Und qualifizierte Fachleute, die immer anderswo unterkommen können, verlassen das Unternehmen sogar. Natürlichunter Mitnahme ihres gesamten Know-hows, das weder sachlich noch rechtlich sauber vom Know-how des Unternehmens zu trennen ist.
Das Motiv für Alleingänge der Führung ist in gewisser Weise sogar verständlich: Mit einer größeren Mannschaft ist es nicht automatisch leichter Kurs zu halten. Die Zahl der Einwände und Bedenken wächst. Andere von einer Sache zu überzeugen, kostet zudem schlicht Zeit. Und die ist bekanntlich Geld. Nur: Die offenen wie die verdeckten Kosten mangelnder Konsensbildung sind meist viel höher. Wer dauernd nur Befehle von der Brücke bekommt, der rudert nämlich ziemlich lustlos – wenn überhaupt. Gerade in modernen, hoch technischen und komplexen Unternehmen sitzen nun mal keine Galeerensträflinge im Maschinenraum, sondern qualifizierte, durchaus selbstbewusste Fachleute. Deren Rat einzuholen ist nicht allein notwendig, sondern auch lohnend. Eventuelle Verzögerungen beim Auslaufen aus dem Hafen werden daher später auf See leicht aufgeholt. Wenn Kapitän und Offiziere mit einer Nussschale ohne Navigationssystem Kurs auf Kap Hoorn nehmen wollen, wäre jedes Murren der Mannschaft ohnehin gerechtfertigt.
Jede gute Führungskraft muss in schwierigen Situationen den Mut aufbringen können, die Notbremse zu ziehen. Wer eine Fehlentscheidung nicht zugeben kann, der wird das Leiden an einer falschen Idee nur verlängern, es aber weder verhindern noch verbergen können. Wenn eine Idee nicht funktioniert, ein Produkt sich nicht verkauft, eine geplante Maßnahme nicht die erwarteten segensreichen Folgen zeitigt, dann gilt die alte Weisheit, dass ein Ende mit Schrecken immer besser ist als ein Schrecken ohne Ende. Und ebenso jene, dass man den Überbringer der schlechten Nachricht nicht köpfen, sondern lieber für seine Courage ehren sollte.
Dabei sind solche schwierigen Entscheidungen in der Wirtschaft durchaus schneller möglich als in der Politik. Gerade als Unternehmer muss ich nicht immer erst eine Abstimmung anberaumen. Wurden dagegen in der Politik Gesetze oder Reformen erst einmal auf den Weg gebracht sowie öffentlich angepriesen,dann wird sich kaum noch einer trauen zu sagen, dass sich eine Idee als weniger gut entpuppt hat als gedacht. Obwohl es menschlich wäre, genau das zu tun, wenn es den Tatsachen entspricht.
Für mich ist es jedenfalls immer eine wichtige Erfahrung, wenn ich mich von meiner Meinung auch einmal lösen kann. Wenn Einwände stichhaltig sind, wenn gar etwas nicht funktioniert, dann muss ich das ohne Umschweife zugeben können. Eine falsche Sache auf Gedeih und Verderb „durchzuziehen“, macht alles nur noch schlimmer. Wer an Ansichten und Positionen festhält, nur um sein Gesicht zu wahren, der wird nicht weit kommen. Zur Macht gehört es eben auch, um meine eigene Ohnmacht zu wissen.
Wirklich dumm verhält sich vornehmlich, wer wider besseres Wissen an seinen Irrtümern festhält. Solange ich von einer Sache innerlich überzeugt bin, darf ich sie nicht nur guten Gewissens gegen Widerstände verteidigen. Solange sollte ich auch an ihr festhalten. Wenn ich schon einknicke, sobald sich jemand nur vernehmlich räuspert oder zarte Bedenken anmeldet, wird mich nämlich auch niemand ernst nehmen. Sich für etwas zu engagieren erfordert immer auch eine gewisse Standfestigkeit. Nur dürfen wir den Einsatz für eine Sache nicht mit dem Einsatz unserer Ellenbogen verwechseln.
In unserer Mediengesellschaft herrscht leider derzeit der Eindruck vor, dass sich derjenige durchsetzt, der die härtere Gangart wählt. Denn wir sehen sehr häufig nur noch auf den öffentlichen Schlagabtausch über ein Thema und nicht mehr auf die Sache selbst. Bis wir mit ruhigem Blick feststellen könnten, ob der „Gewinner“ auch recht hatte, ob sein Vorschlag wirklich zum gewünschten Ergebnis geführt hat, wurde nämlich oft schon längst die übernächste Sau durchs Dorf getrieben.
Zweifelsohne sind Harmonien angenehmer als Dissonanzen. Aber der Kontrast zwischen beiden erhöht die musikalische Spannung. Ebenso wie Bewegung nun mal Reibung erzeugt. Am Ende sind denn auch nie Konflikte das eigentliche Problem, sondern mangelnde Konfliktfähigkeit.
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