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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
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einfach zu realisierende Grundidee für diesen sogenannten Turm- oder Etagenbahnhof: natürliches Licht von der obersten Ebene bis zum kreuzenden Tiefbahnhof, einschließlich der drei dazwischen liegenden Ebenen mit Geschäften und Restaurants. Wesentliche Teile dieses Konzeptes: die korbbogenförmig gewölbte und stützenlose Glasdachkonstruktion der oberen Bahnsteighalle – und eine ausgeklügelte Gewölbekonstruktion für den Tiefbahnhof. Einerseits um Kosten zu sparen, andererseits um den Bahnhof rechtzeitig zur Fußballweltmeisterschaft 2006 eröffnen zu können, wurde auf Druck des Bauherrn, der Deutschen Bahn, die obere Halle während des Baus um über 100 Meter eingekürzt. Was den baulichen Gesamteindruck, sehr vorsichtig formuliert, erheblich verändert. Der unterirdischen Halle wurde anstelle der Kuppelkonstruktion gar eine Flachdecke verpasst, die jedem Baumarkt Ehre machen würde. 2006 wurde dem Architekten Meinhard von Gerkan vom Landgericht Berlin bestätigt, dass das Gebäude dadurch „erheblich entstellt“ worden sei. Am Ende wurde der Bahnhof durch diese erheblichen Eingriffe ins Konzept nicht einmal billiger. Auch gibt es immer noch dieAbsicht, wenigstens die obere Halle, deren Segmente bereits fertig produziert und derzeit eingelagert sind, irgendwann in der geplanten Form zu vollenden. Was dann selbstredend erst richtig teuer werden wird …
    Meiner Meinung nach muss bei jedem größeren Projekt beständig darauf geachtet werden, dass die Ursprungsidee – soweit irgend möglich – genauso verwirklicht wird, wie sie gedacht war. Der Punkt, wo einzelne Veränderungen die ganze Idee verfälschen, wird nach meiner Erfahrung eher früher als später überschritten. Und dann ist es oft gar nicht mehr, und wenn überhaupt, dann nur unter großem Aufwand möglich, auf den ursprünglich geplanten Pfad zurückzufinden. Meist steht dann am Ende ein profilloses Irgendwas da. „A camel is a horse designed by a committee“, lautet ein englischer Spottspruch, „ein Kamel ist ein Pferd, das von einem Komitee entworfen wurde“. Das ist sicher ungerecht gegenüber den Kamelen. Aber der Scherz trifft die Sache ganz gut.
    Wer erkennbar bleiben will, sei es als Mensch, als Künstler, als Unternehmer oder als Politiker, der sollte sich niemals solange verbiegen oder verbiegen lassen, bis scheinbar niemand mehr etwas auszusetzen hat. Denn der Wunsch, jedem gefällig zu sein, hat eine fatale Kehrseite: Niemand erkennt mehr wieder, was einmal der Anlass für seine Einwände oder Änderungswünsche gewesen sein mag. Eine Idee, ein Produkt, ein Konzept – was immer es sei, es ist weitgehend gesichtslos und damit austauschbar geworden. Sodass am Ende weder die Befürworter noch die Gegner der ursprünglichen Sache etwas an ihr finden.
    Bevor eine meiner Ideen so stark verändert wird, dass ich mich darin am Ende nicht mehr wiedererkennen kann, plädiere ich im Zweifelsfall lieber ganz gegen ihre Umsetzung. Die Frage lautet: Wo mache ich mögliche, wo sogar sinnvolle Kompromisse? Wo erzwingt die Realität einfach Änderungen? Und wann ist der Punkt erreicht, wo ich endgültig nein sagen muss, wo aus dem Pferd ein Kamel geworden ist?
    Zwei Beispiele: In den neunziger Jahren wollten wir einen Betriebskindergarten eröffnen, damit unsere Mitarbeiterinnennach der Geburt eines Kindes eher ins Unternehmen zurückkommen können, zumindest in Teilzeit. Uns war klar, dass damit bestimmte Auflagen verbunden sein würden. Und es ist ja auch völlig richtig, dass ein leerer Raum, ein paar Aushilfen und zwei Kisten buntes Spielzeug nicht ausreichen, um eine vernünftige Kinderbetreuung anbieten zu können. Das Problem ist daher nicht, dass der Staat hier gewisse Auflagen macht und deren Einhaltung auch kontrolliert. Sehr bald erwies sich aber, dass diese Auflagen so zahlreich und teils auch so absurd waren, dass wir die Idee aufgeben mussten. Selbstredend hatten wir ausgebildete Kindergärtnerinnen und Säuglingsschwestern eingestellt. Aber muss in einem Betriebskindergarten auch tatsächlich jede Wochen zweimal ein Kinderarzt vorbeisehen? Müssen Zahl und Höhe der Toiletten genauestens normiert werden? Erfordert guter Brandschutz wirklich, dass noch jeder Hocker fünf Prüfsiegel trägt? Wenn die Kommune das alles so genau weiß, dann muss sie es eben selber machen.
    Das andere Beispiel: Eine Zeitlang hat unsere Firma Fertiggerichte für Übergewichtige und Diabetiker angeboten. Das lief sogar ganz gut. Damals haben

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