Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
Vom Netzwerk:
überdies, mit permanenter Propaganda sowie durch Abschottung ihrer Bürger nach außen deren Denken zu manipulieren. Aber total kontrollieren können sie es zum Glück nicht.
    George Orwells Negativ-Utopie 1984 treibt den totalitären Schrecken auf die Spitze. In seinem Staat „Ozeanien“ gibt es nicht nur ein „Ministerium für Wahrheit“, das Propaganda im Sinne der Staatspartei betreibt und alle missliebigen Informationen und Fakten systematisch verfälscht. Zumindest für Mitglieder der Partei gibt es überdies den Tatbestand des „Gedankenverbrechens“. Über „Teleschirme“ werden die Leute permanent von der „Gedankenpolizei“ des „Großen Bruders“ überwacht. Bereits ein nervöses Zucken oder ein falscher Blick können zu Verhaftung und Einkerkerung führen. Die Psychologie von Orwells Roman mag ein wenig grob gestrickt sein. Aberes wäre in der Tat der größtmögliche Alptraum, dass irgendjemand versuchen könnte, Macht auch noch über unser Denken und Fühlen zu bekommen; es nicht nur beeinflussen , sondern tatsächlich erkennen zu können. Dann wären nicht einmal mehr die Gedanken frei.
Ideen wollen hinaus in die Welt
    Nun mögen Ideen zwar bisweilen im stillen Kämmerlein („in der Still’“) geboren werden. Doch um zu wirken, müssen sie hinaus in die Welt gelangen – und zwar unbehindert. Menschen müssen das uneingeschränkte Recht haben, ihre Meinungen, Gedanken und Ideen öffentlich zu äußern. Dabei müssen wir mit rechtlichen Beschränkungen sehr vorsichtig sein. Gegen grobe persönliche Beleidigungen oder rücksichtslose Verletzungen religiöser und sittlicher Gefühle anderer gibt es zu Recht Gesetze. Ansonsten muss die Meinungsfreiheit auch für extreme, versponnene und völlig haltlose Ansichten gelten. Es dürfen keine religiösen Symbole geschändet werden, es darf nicht in Kirchen, Synagogen, Moscheen oder Tempeln herumgepöbelt werden. Doch selbstverständlich hat jeder das Recht, die Existenz eines Gottes oder die Sinnfälligkeit bestimmter religiöser Lehren zu leugnen.
    Ebenso muss es aber jeder, der etwas behauptet, ertragen, dass andere ihm widersprechen – gegebenenfalls auch laut und leidenschaftlich. Wer Menschen anderer Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit körperlich angreift, der begeht eine verabscheuungswürdige Straftat. Wer meint, Ausländer oder Muslime hätten in Deutschland nichts zu suchen, der vertritt eine verabscheuungswürdige Meinung. Doch eine Meinungsfreiheit, die nur für angenehme, akzeptable und allgemein verbreitete Meinungen gälte, wäre wertlos.
    Gedankenfreiheit ist ein unveräußerliches Menschen- und Bürgerrecht. Daneben hat sie allerdings auch einen ganz praktischen Nutzen. Nur wo Menschen frei denken und reden können,können sie sicher sein, dass sich Nachdenken auch lohnt . Nur wo sie das Gefühl haben, dass andere ihnen ihre Meinungen und Ideen nicht nur lassen, sondern sie tatsächlich hören wollen, werden sie ermutigt, sich über alles mögliche den Kopf zu zerbrechen. Kreativität, neue Ideen, Wissen, Erfindungen, überraschende Lösungen für allerlei Probleme – all das kann nur in einem Klima der Offenheit und der Toleranz gedeihen. Wo dagegen eigenständiges Denken unterdrückt oder auch nur misstrauisch beäugt und ängstlich abgewehrt wird, da herrscht bald der immergleiche Trott. Unfreie Gesellschaften sind nicht bloß unangenehm. Sie sind weitgehend unfähig zu Veränderung, Fortschritt und Innovation. Denn sie behalten nicht nur das Bewährte bei, sie kultivieren auch ihre Unzulänglichkeiten.
    „Unmündigkeit“, schrieb Immanuel Kant 1784 in seiner berühmten Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, sei „das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“. Die Freiheit, „von seiner Vernunft in allen Stükken öffentlichen Gebrauch zu machen“ sei dagegen Bedingung jeder Aufklärung. Dabei sah Kant sehr wohl, dass der eigenständige Verstandesgebrauch Grenzen hat. Nicht allein aus „Faulheit und Feigheit“ beschränkten Menschen oft selbst ihr Denken, so der Philosoph. Bestimmte Dinge müssten schließlich auch erledigt werden, ohne sie jedes Mal infrage zu stellen. Es sei, so Kant, „zu manchen Geschäften (…) ein gewisser Mechanism nothwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen“. Ein Beispiel, das Kant selbst gibt, ist die Steuer. Wir dürfen selbstredend jede Steuer in ihrer Ausgestaltung oder Höhe

Weitere Kostenlose Bücher