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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
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Bedächtigen oder der Klügeren. Leider erleben wir beides immer häufiger.
Erziehung zur Mündigkeit
    Weil Freiheit ohne Verantwortung weder denkbar noch praktisch lebbar ist, ist die Erziehung jedes Menschen zur Verantwortung die wichtigste Voraussetzung einer freiheitlichen Ordnung. Freie und verantwortliche Entscheidungen wiederum beruhen auf einer möglichst umfassenden Urteilsfähigkeit. Wie sonst sollte jemand die Voraussetzungen und Folgen seines Handelns halbwegs vernünftig einschätzen können? Nur sein Denkvermögen befähigt den Menschen dazu, angehäufte Informationen oder vermitteltes Fachwissen in kreative Lösungenumzusetzen. Bildung in diesem Sinne bedeutet: Ausbildung der Verstandeskräfte.
    Die Fähigkeit zur Verantwortung verlangt jedoch zugleich ein Verständnis für die Wünsche, die Hoffnungen, die Bestrebungen wie auch die Sorgen der anderen. Wie sonst ließe sich verhindern, dass jeder nur rücksichtslos seine eigenen Interessen verfolgt, koste es, was es wolle? Gefordert sind hier Anstand, das heißt die Fähigkeit zu unterscheiden, was sich gehört und was nicht, soziale Kompetenz sowie die Fähigkeit zur Mitmenschlichkeit. Mit einem Wort: Herzensbildung. Schon im römischen Recht kennen wir den Satz „Non omne quod licet honestum est“, das heißt nicht alles, was wir tun können, ist ehrenhaft.
    Leider ist mit Bildung heute überwiegend eine gewisse Grund- und Allgemeinbildung, vor allem aber eine wissenschaftliche, technische und berufspraktische Ausbildung gemeint. Was wir jedoch wirklich brauchen, ist eine umfassende humanistische Bildung. Wir sollten junge Menschen in der nötigen Ruhe zu Persönlichkeiten heranreifen lassen, die neben ihrem Allgemein- und Fachwissen vor allem über Methodenkompetenz verfügen, und die mit Selbstbewusstsein und gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl ins Leben treten. Das Ziel sollte immer der gebildete, nicht der lediglich ausgebildete Mensch sein. Nicht zuletzt deshalb, weil ein im umfassenden Sinne gebildeter Mensch weniger schnell der Gefahr erliegt, auch ein eingebildeter Mensch zu werden. Am klarsten hat diese Einsicht Johann Heinrich Pestalozzi formuliert: Kinder müssten „mit Kopf, Hand und Herz“ lernen, so der große Pädagogikpionier.
    Nicht anders ist es im späteren Studium. Nur wenn wir jungen Menschen auch an unseren Universitäten die nötigen Freiheiten und Spielräume geben, können wir Begeisterung wecken. Nur dann schauen die Leute ein wenig links und rechts vom Hauptweg. Im Moment werden dagegen straffe Organisation, aufs Komma durchgeplante Lehreinheiten und normierte Prüfungen zu sehr betont. Ich bin sicher der letzte, der einBummelstudium propagieren würde. Aber wenn Schüler und Studenten nur noch nach dem Lehrbuch büffeln und nie mehr weiter blicken als bis zur nächsten Klausur, dann beschert uns das bloß engstirnige Fachidioten. Ganz abgesehen davon, dass die Prüfung als Dauerzustand immer seltener ein Anreiz zu eigenständigem und vertieftem Lernen ist, immer öfter dagegen eine Einladung zu Plagiaten und anderen Betrugsversuchen.
    Ich möchte für mein Verständnis umfassender Bildung ein ganz praktisches Beispiel geben: Ich finde, dass jeder Student, ganz egal ob er Musik, Medizin oder Maschinenbau studiert, die Möglichkeit haben sollte, einen Philosophie-Schein auf sein Studium anrechnen zu lassen. Und damit meine ich kein obligatorisches Studium Generale, das viele bloß lustlos herunterreißen würden. Ich meine auch keine Schmalspurkurse, die in drei Monaten eine „Einführung in die Philosophie“ oder eine handliche Portion Wirtschaftsethik versprechen. Ich meine die Teilnahme an einem ganz normalen philosophischen Proseminar zu einem beliebigen, von mir aus auch einem exotischen Thema. Da soll der Student dann wie alle anderen den zugrunde liegenden Text lesen, sein Referat halten und eine Arbeit einreichen, an die die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an diejenigen „hauptberuflicher“ Philosophiestudenten. Warum gerade Philosophie, und nicht Literatur oder Geschichte? Gerade weil es in der Philosophie zum Glück keine „Lösungen“ gibt, sondern – neben historischem und begrifflichem Wissen – vor allem eine bestimmte Art Fragen zu stellen, Probleme zu formulieren und mögliche Antworten zu suchen. In der Philosophie lernen wir nicht bloß Gedanken kennen, sondern das Denken selbst. Ein solcher Schein sollte deswegen auch keine Blume im akademischen Knopfloch sein, die ganz nett

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