Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
schmückt, aber ansonsten wenig bringt. Er sollte vielmehr als vollwertige Studienleistung anerkannt werden, die sogar eine Scharte an anderer Stelle auswetzen kann.
Schließlich und endlich: Eine umfassende Bildung rückt die Maßstäbe des Menschen vernünftig zurecht. Für viele gelten hoher Verdienst und wachsender materieller Wohlstand als diegrößten Glücksverstärker. Ein Stück weit liegt das sicher in der Natur des freien Wettbewerbs, der nun einmal vom Streben des Menschen nach Mehr angetrieben wird. Aber es hat eben auch etwas mit Bildungsdefiziten, besser gesagt: mit einem beschränkten Bildungsbegriff zu tun. Erst umfassende Bildung befähigt den Menschen, an anderem Freude zu haben als an materiellen Dingen oder gar an Geld. Kunst, Musik, Literatur oder geschichtliches Wissen ermöglichen überhaupt erst Wissen, Kreativität und vertieftes Weltverständnis. Sie erst bereichern uns um all jene Aha-Erlebnisse, die über das Materielle hinausweisen. Genau genommen sind sie sogar die Voraussetzung dafür, sinnliche Freuden richtig genießen zu können.
Vom Wert des Subsidiaritätsprinzips
Aus der Ferne besehen sei alles schön, weiß der Volksmund. Die besseren Entscheidungen dagegen fallen ohne Zweifel, je näher diejenigen an der Sache dran sind, die sie zu entscheiden haben. Das ist, sehr vereinfacht ausgedrückt, der Grundgedanke des sogenannten Subsidiaritätsprinzips. Es leitet sich ab vom lateinischen Substantiv „subsidium“, was soviel wie „Hilfe“ oder „Reserve“ bedeutet. Und es besagt, dass alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entscheidungen auf der Ebene entschieden werden sollen, wo Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Betroffenen am wenigsten eingeschränkt werden. Praktisch heißt das: je weiter „unten“ desto besser.
Was der Einzelne entscheiden kann, ohne dramatisch in die Belange anderer einzugreifen, dass soll jeder selbst entscheiden. Was Familien, Nachbarschaften oder Unternehmen entscheiden können, das sollte der Staat so wenig wie möglich regulieren. Wenn die Abteilung es besser weiß, dann muss sich der Vorstand nicht unbedingt einmischen. Was vor allem die Gemeinde betrifft, das muss nicht in Rom entschieden werden.Oder von einer Synode. Und was die Einzelstaaten entscheiden können, darüber muss nicht auf EU-Ebene in Brüssel befunden werden.
Gewiss, der Staat beziehungsweise das Recht setzen für alle Entscheidungen Rahmenbedingungen. Aber sie scheitern, wenn sie jeden Einzelfall regeln wollen. Ebenso wie eine Unternehmensleitung eine Strategie vorgeben, sich aber nicht ständig in alle operativen Details einmischen sollte. Die oberen Instanzen handeln nur dann, wenn es alle Glieder eines Gemeinwesens betrifft oder wenn untergeordnete Instanzen eine Frage nicht entscheiden können.
Das Subsidiaritätsprinzip gehört zum Kern jeder demokratischen Ordnung. Es stellt nämlich das alte Prinzip des Obrigkeitsstaates auf den Kopf: Es gibt keine Monarchen, die je nach Stimmung entscheiden; keine Diktatoren, die auf irgendeine geheimnisvolle Weise den Willen eines Volkes „verkörpern“; und auch keine Philosophenkönige, die exklusiven Zugang zum Wahren, Guten und Schönen besitzen.
Was manche auf den ersten Blick vielleicht erstaunen mag, ist der Umstand, dass in diesem Punkt auch die katholische Kirche in ihrer Soziallehre seit über einhundert Jahren ziemlich protestantisch argumentiert. 1571 hatte die Nationalsynode der Niederländischen Reformierten Kirche das Subsidiaritätsprinzip erstmals formuliert: In „Provinzial- und Generalsynoden“ solle „nur das aufgeschrieben werden, was in den Sitzungen der Konsistorien und der Classicalversammlungen nicht entschieden werden konnte oder was alle Gemeinden der Provinz angeht.“ Der Gedanke, dass die Menschen ihre Lebensentscheidungen selbst treffen und sich besser freiwillig als unter Zwang zu Interessengemeinschaften zusammenschließen sollten, floss im 19. Jahrhundert in die Katholische Soziallehre ein. 1891 machte ihn Papst Leo XIII. mit seiner epochalen Enzyklika Rerum Novarum zum festen Bestandteil der römischkatholischen Gesellschaftslehre. Seine klassische Formulierung fand er dann 1931 in der Sozialenzyklika Quadragesimo anno von Papst Pius XI.: So wie „dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit,
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