Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
wie lange es gut gehen kann, wenn eine wachsende Zahl von Bürgern den anderen bei der freien Auswahl oft nur noch zuschauen kann – und selbst kaum eine Wahl hat.
Gewiss werden ein hochqualifizierter Ingenieur, ein diplomierter Betriebswirt oder ein Spitzenbeamter immer deutlich mehr Geld verdienen als ein ungelernter Arbeiter oder eine Kassiererin in Teilzeit. Aber ob der Vorstandschef eines bestimmten DAX-Unternehmens wirklich das 150-fache eines durchschnittlichen Mitarbeiters verdienen muss; ob es reicht, dass es im Schnitt aller DAX-30-Chefs das 70-fache ist; oder ob es, wie vor 25 Jahren, auch das zehn- bis 20-fache täte, die Frage muss schon erlaubt sein. Auch wenn es sich gesamtwirtschaftlich eher um ein symbolisches Thema handelt.
Allerdings auch um ein Thema, bei dem so mancher Akzent einmal gerade gerückt werden sollte. Weder könnte ja VW-Chef Martin Winterkorn die 16,3 Millionen Euro, noch der scheidende oberste Deutschbanker Josef Ackermann die 9,4 Millionen Euro, die sie 2011 verdient haben, auch nur annähernd für ihren persönlichen Luxus ausgeben. In der Debatte um angemessene Managergehälter wird aber gerne so getan, als ginge es da um individuelle Gier. Dabei haben derlei Spitzengehälter und „Erfolgsprämien“ in Wahrheit mehr Ähnlichkeit mit den schweren Orden und imposanten Epauletten bestimmter Generäle, die sich damit wechselseitig ihrer enormen Bedeutung versichern. Viele Manager der Oberliga spenden zudem große Teile ihrer Einkünfte wieder. Und den Rest investieren sie meist höchst konservativ – was beides der Gesellschaft zugute kommt.
Der Eindruck, „die Herrschenden“ würden auf Kosten der Allgemeinheit lustig prassen, entsteht meines Erachtens auch ganz woanders als auf den Chefetagen: nämlich auf dem Boulevard. Privatsender und bunte Blätter geben sich ja rund um die Uhr große Mühe, uns die Eskapaden der „Reichen und Schönen“ vorzuführen. Und da sehen die Menschen – seltsamerweise zwecks Unterhaltung – in der Tat vieles, was schwer nach „spätrömischer Dekadenz“ riecht. Nur dass sie mit den geschmacklichen oder moralischen Entgleisungen von Popstars und allerlei B- und C-Prominenz erstaunlich wenig Probleme haben.
Weshalb alle Diskussionen über die Relation von Einkommen und Leistung bei Großverdienern immer auch etwas Verlogenes haben. Selbst viele jener Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen, dürften es kaum anrüchig finden, dass ausgerechnet ein Golfspieler, nämlich Tiger Woods, im Jahr 2011 56 Millionen Euro verdient hat. Der Rennfahrer Michael Schumacher nahm ungefähr 24 Millionen ein, der Fußballer Michael Ballack 11,3 Millionen Euro. In allen drei Fällen waren diese Einkünfte nur noch sehr begrenzt durch sportliche Leistungen gedeckt – von deren Wert wiederum jeder halten mag, was er will. Oder: Hat es etwas mit Gerechtigkeit zu tun, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel monatlich 15.768,14 Euro verdient, während der Musikproduzent Dieter Bohlen pro Staffel der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ angeblich 1,2 Millionen Euro erhält? Und ist es „gerechter“, einer Opernsängerin pro Abend eine mittlere fünfstellige Gage zu zahlen – wie sie zumindest bekannte Solistinnen durchaus erzielen? Oder reichen 1.600 Euro brutto im Monat? Das ist das tarifliche Mindestgehalt für Sänger und Tänzer nach dem sogenannten „Normalvertrag Solo“.
Meines Erachtens ist die „Gerechtigkeitsdiskussion“ in weiten Teilen eben auch eine Scheindebatte. Mit Gehältern, Löhnen und Einkommen ist es nämlich in der Marktwirtschaft grundsätzlich nicht anders wie mit den Preisen: Sie werden von Angebot und Nachfrage reguliert. Wer besondere Fähigkeiten besitzt oder einen stark nachgefragten Beruf erlernt hat, der wird mehr verdienen. Wer nur angelernt ist, bekommt entsprechend weniger. Nicht anders am oberen Ende: Solange Jahreshauptversammlungen großer Konzerne Aufsichtsräte wählen, die auf Wunsch auch Fantasiegehälter abnicken, werden einzelne Vorstandsbezüge in den Himmel wachsen. Wo die Aktionäre dagegen vernünftig bleiben, da bleiben es ihre obersten Angestellten meist auch.
Nur eines sollte für Spitzenmanager ebenso konsequent gelten wie für jeden normalen Mitarbeiter: Versager werden gefeuert. Und zwar ohne goldenen Handschlag. Ebenso wie keinUnternehmen, sei es eine Großbank oder ein Handwerksbetrieb, das Recht hat, in guten Zeiten seine Gewinne zu privatisieren, eventuelle Verluste aber auf die
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