Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
aufschieben, bis sich alle Fraktionen geeinigt haben. Erst recht können wir nicht die Arbeit liegen lassen, während wir diskutieren. Während wir neue Produkte entwickeln, stellen wir unsere bisherigen unvermindert her. Und während wir stets einige unserer Abläufe verbessern, müssen etliche weniger gute dennoch zunächst weiterlaufen.
Bildlich gesprochen gleicht ein Unternehmen am ehesten einem Orchester. Auch da gibt es immer mal falsche Töne. Erst recht ist nicht jedes Konzert ein Glanzpunkt. Aber Musiker und Dirigent bemühen sich doch jeden Abend um Harmonie. Stets wollen sie den Geist des aufgeführten Werkes auf die bestmögliche Weise ausdrücken. Um das zu erreichen, braucht es eine Art geordnetes Chaos.
Der Musiker muss zunächst einmal das spielen, was auf dem Programmzettel und was in der Partitur steht. Brahms statt Beethoven, D-Dur statt a-Moll oder fortissimo statt forte , all das steht ihm nicht frei. Sodann muss jedes einzelne Orchestermitglied auch so spielen, wie es der Dirigent vorgibt. Tempi, Phrasierungen, Dynamik, Klangfarbe und vieles mehr sind Teil seiner Vorstellung, wie ein Werk zu interpretieren sei. Da kannzum Beispiel ein Oboist nicht plötzlich ankommen und sagen, dass er diese oder jene Passage sonst aber langsamer spiele. Ein einziger allzu eigenwilliger Mensch am dritten Pult – und die Harmonie ist zerstört. Sicher darf jeder sich in der Kantine hernach über die Ideen des Dirigenten beklagen. Aber während des Konzertes muss er sich einfügen. Das gemeinsame Ziel, dem sich alle unterordnen, beschränkt die Freiheit des Einzelnen.
Nun ist ein Klangkörper aber zugleich eine Zusammenkunft selbstständig denkender und meist auch recht sensibler Menschen. Beschränkt ein Dirigent daher die Freiheit seiner Musiker zu sehr, lässt er ihnen etwa überhaupt keinen Raum für ihre eigene Klangfarbe oder gibt er einen quasi militärischen Prägetakt mit vier Schlägen vor, wo zwei Schläge als Impulse für das Orchester völlig reichen würden, dann klingt es ebenfalls nicht mehr schön. Und wer als Maestro allzu ruppige Vorgaben macht, dem können zumindest die Stimmführer das Leben spürbar erschweren. Frei nach dem Motto: Wir wissen nicht, was dieser Herr dirigiert – wir spielen heute Abend die „Linzer Sinfonie“.
Im Übrigen ist es im Orchester wie bei allen größeren Gruppen: Wer die Musiker von seiner Idee überzeugt, sie gar für seine Klangvorstellung begeistern kann, der hat es leichter als ein autoritärer Pultstar, dem die Eigenheiten seiner Musiker gleichgültig sind. Hauptsache seine Interpretation wird von Publikum und Kritik bejubelt.
Ebenso wenig wie ein Dirigent kann ich mir als Leiter eines Unternehmens alles erlauben. Die Raster, in denen sich die einzelnen Mitarbeiter bewegen, sollten möglichst groß sein. Dann macht die Arbeit den Menschen mehr Freude und sie bringen eine bessere Leistung. Das erlebe ich in meinem Unternehmen immer wieder als ungemein bereichernd. Es ist die Basis für erfolgreiches Wirtschaften und für eine zufriedene Belegschaft. Beschneide ich die Freiheit des Einzelnen zu sehr, auch dort, wo es gar nicht nötig ist, dann verdrießt es zuerst die Belegschaft. Aber eher früher als später geht es auch auf Kosten des Ergebnisses.
Innovationen können sich in einer Atmosphäre von Befehl und Gehorsam ohnehin kaum durchsetzen. Wenn jemand beispielsweise einen Verbesserungsvorschlag hat, sich aber denkt, es sei sowieso egal, ob er den jetzt vorbringe oder nicht, dann ist das ein großer Nachteil für das Unternehmen. Doch wie oft werden Vorschläge aus der Belegschaft von den Verantwortlichen abgebügelt, bloß weil die Idee von „ganz unten“ kommt. Und weil man für das betriebswirtschaftliche oder technische Wissen doch schließlich diplomierte und hoch bezahlte Fach-und Führungskräfte beschäftigt.
Uns hat zum Beispiel einmal ein Vorschlag von Mitarbeitern in der Verpackungsabteilung 50 000 Euro gespart. Wir wollten damals einem neu eingeführten Produkt kleine Tierfiguren aus Holz als Werbemittel beigeben. Einen simplen Aufdruck im Stile von „Jetzt mit niedlichem Spielzeug in der Packung“ verwarfen wir sofort als völlig fantasielos. Die Figuren sollten sichtbar an der Packung befestigt werden. Eine Maschine, die das in der gewünschten Weise leistet, hätte aber besagte 50 000 Euro gekostet – für eine einmalige Werbeaktion zu teuer. Also haben wir die zuständigen Arbeiter nach möglichen Alternativen gefragt. Der
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