Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Allgemeinheit abzuwälzen.
Alle übrigen Fragen einer gerechten Entlohnung müssen sich, so schwer das im Einzelfall auch sein mag, die Verbraucher selbst stellen: Was ist mir eine Sache oder eine Leistung wert? Wer für ein T-Shirt drei Euro bezahlt, der muss sich fragen, wo ein auskömmlicher Lohn selbst für eine indische oder vietnamesische Näherin herkommen soll. Erst recht sollte er sich fragen, warum in Deutschland kaum noch Textilien hergestellt werden.
Anders als viele Arbeitsplätze in der Industrie lassen sich jene im Supermarkt, beim Friseur oder im Nahverkehr nicht exportieren. Außer Frage steht, dass auch eine Kassiererin, eine Friseurin oder ein Busfahrer soviel verdienen müssen, dass sie selbst davon leben und gegebenenfalls eine Familie ernähren können. Das ist allerdings nur möglich, wenn solch auskömmliche Einkommen anteilig in jede Tüte Milch, jeden Haarschnitt und jeder Fahrkarte eingepreist werden.
Erst recht gilt das Gebot in den Spiegel zu schauen für solche Leistungen, von denen viele Leute offenbar glauben, sie seien eine Spende des Himmels. Kaum jemand bestreitet, dass Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen hierzulande eher wenig verdienen. Dass die Bezahlung von Pflegekräften teilweise sogar skandalös niedrig ist. Doch würden, um diesen Missstand zu beheben, die Steuern oder die Versicherungsbeiträge spürbar erhöht, gäbe es einen riesigen Aufschrei.
Der Unterschied zur unterbezahlten Verkäuferin: Im Falle sozialer Arbeit müssen wir uns nicht als individuelle Verbraucher, sondern als Gesellschaft insgesamt fragen, was es uns allen wert ist, wenn Dritte unsere Kinder erziehen und ausbilden oder unsere gebrechlichen Eltern und Großeltern pflegen. Und das heißt letzten Endes: Jeder muss erkennen, dass der Ruf nach dem Staat immer nur ein Ruf der Bürger an sich selbst ist.
Wenn wir aus der Dekade des „Geiz ist geil“ eines gelernt haben sollten, dann wohl dieses: Der ewige Wettlauf um denniedrigsten Preis schadet am Ende allen. Den Verbrauchern, weil erst die Qualität und irgendwann sogar das schiere Angebot bestimmter Waren und Dienstleistungen unter die Räder kommt. Den Beschäftigten, weil in einigen Branchen oft keine vernünftigen Löhne und Gehälter mehr gezahlt werden können. Den Unternehmen, weil deren Gewinnspannen ihren Kapitalkosten bisweilen gefährlich nahekommen. Und der Gesellschaft insgesamt, weil sie ihre „Ersparnisse“ in der linken Tasche aus der rechten ausgleichen muss – sei es durch eine steigende Steuer- und Abgabenlast, sei es durch drastische Etatkürzungen, an deren Ende ein Verfall des öffentlichen und kulturellen Lebens oder ein Verrotten unserer Infrastruktur droht. Jedes Theater und jedes Schwimmbad, das aufgrund kommunaler Finanznot schließen muss, jeder Bahnhof, der nicht mehr angefahren wird, jede baufällige Straße, die man nur noch mit gewissen Risiken benutzen kann, bedeuten nämlich auch dies: Wir haben eine Wahl weniger.
Vor allem anderen gehört zur Freiheit der Wahl, jedenfalls der in materiellen Fragen, allerdings die gegenteilige Erkenntnis: Jeden Euro müssen wir erst einmal erwirtschaften – und dann kann er auch nur einmal ausgegeben werden.
Die Qual der Wahl
Das vornehmste Recht eines jeden Bürgers in demokratischen Gesellschaften ist das Recht, seine politischen Repräsentanten zu wählen – in freien und allgemeinen Wahlen, bei denen jede Stimme gleich zählt. Leider verzichtet eine wachsende Zahl von Bürgern auf dieses Recht, sei es aus Protest, aus Ratlosigkeit oder aus Gleichgültigkeit. Offenbar sehen sich viele von den bestehenden Parteien und den derzeit aktiven Politikern nicht mehr angemessen repräsentiert. Das mag man so oder anders sehen. In jedem Fall halte ich es für die denkbar schlechteste Lösung, deshalb am Wahltag daheim zu bleiben. Zumal sich in der Geschichte der Bundesrepublik mehrmals gezeigt hat, dassneue Parteien und Politiker durchaus eine Chance haben, wenn sie die Stimmung und die Meinungen einer hinreichend großen Zahl von Menschen aufgreifen. Aktuell zeigen dies die Erfolge der Piratenpartei – deren Inhalte, Auftritt oder Personal ich selbst überhaupt nicht bewerten muss, um sie als Beweis zu nehmen, dass wählen „etwas bringt“.
Während viele Menschen also glauben, auf dem Felde eines sehr wichtigen Wahlrechts, dem politischen, zu wenig echte Auswahl zu haben, ächzen sie bei jeder kommerziellen Wahl unter der Last des Überangebots. Ob beim täglichen Besuch im
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