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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
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einzelnen Akteuren.
Wahlfreiheit und Gerechtigkeit
    Befragte man Menschen ganz unbefangen, was „Freiheit“ für sie persönlich bedeutet, dann würde man wohl kaum philosophische oder politische Grundsatzreferate zu hören bekommen. Neben eher unspezifischen Auskünften („Freiheit bedeutet, dass ich machen kann, was ich will“) dürften die Antworten überwiegend in zwei große Gruppen fallen. Die einen legen den Schwerpunkt auf die Meinungsfreiheit. „Freiheit“ in diesemSinne bedeutet: Ich kann jederzeit ungehindert und ohne Angst vor Repressalien meine Meinung sagen oder schreiben – und zwar auch öffentlich. Umgekehrt habe ich über verschiedenste Medien Zugang zu den Meinungen anderer Menschen. Das alles müssen im Übrigen keineswegs immer Meinungen zu großen gesellschaftlichen oder politischen Fragen sein.
    Die andere Gruppe legt den Schwerpunkt auf die persönliche Wahlfreiheit. „Freiheit“ in diesem Sinne bedeutet: Ich entscheide selbst, was auf den Tisch kommt, wie ich mich kleide oder einrichte, welches Auto ich fahre, wohin ich verreise, welchen Beruf ich ausübe oder wie ich meine Kinder erziehe. Es entspricht einem freien, marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem, dass sehr viele Menschen gerade auf diese Freiheit der Wahl großes Gewicht legen. Und dass umgekehrt all jene empfindlich reagieren, deren Wahlfreiheit im Vergleich recht beschränkt ist.
    Die Meinungsfreiheit gilt uneingeschränkt für jeden. Zumal in unserer Zeit, in der dank des Internets die technische Schwelle, seine Meinung auch zu verbreiten, so niedrig ist wie nie zuvor in der Geschichte. Im Unterschied dazu wird die Wahlfreiheit des Einzelnen zwar nicht äußerlich, gar staatlich beschränkt. Aber sie ist in einem sehr viel weiteren Sinne bedingt . Zunächst einmal müssen wir für die meisten Dinge, zwischen denen wir im Alltag wählen können, bezahlen. Daher könnten sich zwar theoretisch bei allen die Designertische biegen, praktisch aber nur bei jenen, die beim Einkauf keine Sekunde aufs Geld schauen müssen. Ebenso wie die reale Reisefreiheit leider nur so weit reicht wie die Reisekasse.
    Sodann stehen eine ganze Reihe Wahlmöglichkeiten aus anderen Gründen nicht jedem offen: Die prinzipielle Freiheit der Berufswahl wird durch schulische und berufliche Bildung begrenzt, beide wiederum durch Intelligenz, Begabung, Fleiß, Herkunft, teils auch von verfügbaren Budgets. Die Partnerwahl ist nicht unabhängig von den persönlichen Chancen auf dem Heiratsmarkt, die ebenfalls nicht hundertprozentig gerecht verteiltsind. Die Freiheit, heute Abend ein Sinfoniekonzert zu besuchen wird demjenigen wenig bedeuten, der nie zuvor Zugang zu klassischer Musik gefunden hat.
    Aus solchen und ähnlichen Gründen ist die Freiheit der Wahl nicht nur eine Quelle des Glücks für die Menschen. Für manche ist sie bisweilen auch eine Quelle des Unglücks, zumindest des Verdrusses. Nicht selten spielt hier das unausrottbare Laster des Neids eine Rolle. Viele macht es unfroh, dass andere so viel Auswahl haben. Zahlreiche Studien belegen ja immer wieder, dass selbst deutliche Wohlstandszuwächse die Menschen immer nur so lange glücklicher machen, wie ihnen das frisch gewonnene Mehr einen Vorsprung vor den anderen Menschen in ihrer Umgebung verschafft. Zieht der Kollege beim Gehalt, der Nachbar beim Automodell gleich, ist die Freude auch schon wieder dahin. Auf Dauer erschöpft der Überbietungswettbewerb gegen seinen Nächsten den Menschen mehr, als dass er ihn glücklich machte.
    Doch was wir oft mit dem Schlagwort „Neidgesellschaft“ abtun, hat durchaus auch tiefer liegende soziale Gründe. Einerseits leben wir in einer nahezu grenzenlosen Überflussgesellschaft. Knapp ist höchstens die Nachfrage nach, höchst selten das Angebot an Waren und Dienstleistungen. Andererseits müssen wir beobachten, dass die 1953 vom Soziologen Helmut Schelsky beschriebene „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ der Nachkriegszeit ins Bröckeln gerät. Die Einkommensunterschiede verschärfen sich seit Jahren erheblich. Erst in den letzten ein, zwei Jahren konnten viele Arbeitnehmer wieder spürbare Reallohnzuwächse verbuchen. Doch selbst manche Vollzeitstelle bringt nach wie vor keinen Lohn ein, von dem eine Familie wenigstens bescheiden leben könnte. Zugleich werden die Angebote, die Geschmäcker und die Lebensmodelle immer vielfältiger und bunter. Und all das ist täglich in den Medien zu beobachten. Weshalb wir uns durchaus Sorgen machen sollten,

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