Das Hiroshima-Tor
stehen. Blomberg nahm den Schlüsselbund vom Gürtel und schloss auf.
Nach wie vor mit Soiles Tasche in der Hand, trat Timo ein. Er war voll auf die bevorstehende Begegnung konzentriert.
In dem Raum standen lediglich zwei Stühle und zwischen ihnen ein Tisch. Heli Larva erhob sich, sie trug einen zu klein gewordenen
Wollpullover mit grobem Strickmuster, verwaschene enge Jeans und abgetragene Turnschuhe. Sie wirkte müde, aber kampfbereit.
Ihre Augen glühten vor Energie, und sie hatte ein Lächeln aufgesetzt, in dem Neugier aufblitzte.
|374| Die Tür fiel hinter Timo ins Schloss. In dem schalldichten Raum herrschte vollkommene Stille.
Timo räusperte sich und ging zum Tisch, auf dem ein Mikrofon aufgestellt war. Er sah nach, ob der Schalter in Off-Position
war. Das hieß jedoch gar nichts, deshalb schraubte er das Mikrofon auseinander und legte die Einzelteile auf den Tisch.
Larva stand ruhig da und beobachtete ihn. Timo nahm auch das Telefon vom Tisch und entfernte das Kabel. Ein primitiver, aber
beliebter Trick bestand darin, das Telefon trotz aufgelegten Hörers zu aktivieren.
Timo hatte derzeit in Rautio und die KR P-Führung genauso viel Vertrauen wie in die Amerikaner.
»Was willst du?«, fragte Heli.
Timo ließ sich auf einem der beiden Stühle nieder. »Setz dich.«
Er hatte sich vorher genau zurechtgelegt, was er ihr sagen würde. Trotzdem entwich ihm als Erstes die Frage: »Kennst du Patrick
Saari?«
Heli dachte eine Sekunde nach, und Timo sah, wie ihr Gehirn arbeitete. Dann machte sich auf ihrem Gesicht eine verständnisvolle,
fast spöttische Miene breit. »Welche Frau würde sich nicht an einen so gut aussehenden und intelligenten Mann erinnern.«
Ihr scharfer Blick schien Timo zu durchbohren. »Soile hatte während des Studiums gern mit ihm zu tun. Vielleicht sogar immer
noch, soweit ich weiß, ist Patrick zum CERN berufen worden.«
Timo lief rot an. Es fiel ihm schwer, seinen Zorn im Zaum zu halten. »Warum hast du Soile den Videoausschnitt geschickt?«
»Du machst dir was vor, wenn du glaubst, das hätte noch eine Auswirkung auf eure Beziehung.« Larvas Lippen verzogen sich zu
einem schiefen Lächeln. »Nur gut, wenn du sie los wirst. Frauen wie sie sind gefährlich. Wissenschaftlerinnen ohne Verantwortung.
Machen die Wissenschaft zur Handlangerin des Mammons.«
In ihre Stimme hatte sich ein leicht hysterischer Unterton geschlichen |375| , bei dem sich Timo die Nackenhaare sträubten. Trotzdem kam ihm unweigerlich ein Satz von Soile in den Sinn, den sie gesagt
hatte, als sie über Massenvernichtungswaffen sprachen:
Ich sehe das aus der Perspektive der Wissenschaftlerin
...
Timo versuchte sich zu konzentrieren. »Kennst du einen Teilchenforscher namens Yoshima Nishikawa?«
Auf einmal wich alle Farbe aus Helis Gesicht, und sie starrte Timo ungläubig an.
»Na und?«, fragte sie dann leise, mit gepresster, dünner Stimme. »Warum fragst du nach ihm?«
Ihre Reaktion erschreckte Timo. Er beugte sich näher zu ihr heran. »Was weißt du über Nishikawa?«
Sie befeuchtete ihre Lippen. »Er hat sich mit Antiteilchen beschäftigt, wie viele andere auch. Sonst noch was?«
Timo wunderte sich in dem Maße, wie seine Neugier wuchs. Ein letztes Mal wog er die Lage ab. Was würde er verlieren, wenn
er Heli über einen Teil der Fakten informierte, und was könnte er dadurch gewinnen? Die Wahl fiel nicht schwer. Wenn man jemand
in eine sensible Angelegenheit einweihen konnte, dann Heli Larva, die sowieso niemand für voll nahm.
»Ich werde dir jetzt etwas äußerst Vertrauliches erzählen«, sagte Timo leise. »Im Zusammenhang mit dem Mord an einer Seine-Brücke
in Paris ist eine Diskette des KGB gefunden worden. Sie enthält Informationen, hinter denen unter anderem die Vereinigten
Staaten her sind ... Was hast du?«
»Nichts.« Auf Larvas blassem Gesicht und Hals bildeten sich grellrote Flecken. Sie räusperte sich. »Sprich weiter.«
Timo skizzierte grob die wesentlichen Aspekte: die KG B-Diskette , Vaucher-Langston und die Karten, die mit der damals verfügbaren Technik nicht zu erstellen gewesen waren, Zeromski und seine
Theorien; er erwähnte den Quastenflosser-Kongress von Marburg, erzählte von dem Souvenir, das alle Kongressteilnehmer bekommen
hatten, von Vater und Sohn Nishikawa und von der Gedenktafel mit dem eingravierten Fisch. Alles, was mit Finnland zu tun hatte,
ließ er unerwähnt.
|376| Heli hörte ihm äußerst aufmerksam, ja mit geradezu
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