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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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genommen hat. Im Polizeidistrikt Annecy existiert über den von dir geschilderten Vorfall
     lediglich die Information, dass auf der A35 ein PKW an einer Baustelle auf den gesperrten Fahrstreifen geraten ist.«
    Timo begriff sofort: Das waren keine Polizisten gewesen. Soile war in den Händen der Amerikaner. Damit bestand keine Möglichkeit,
     die diplomatischen Kanäle zu nutzen. »Wir starten gleich. Du kannst eine SMS schicken, wenn sich etwas tut. Ich rufe an, wenn
     wir gelandet sind.«
    |393| »Schlechte Nachrichten?«, fragte Mattila leise.
    Timo begnügte sich mit einem Kopfnicken. Vor und hinter ihnen saßen andere Passagiere, Zeit zum Reden wäre später genug.
    Mattila war ein alter Bekannter von ihm – kräftig gebaut und von schnellem Verstand, ein echter Helsinkier, Ausbilder der
     Bereitschaftsgruppe »Bär« und Mitglied der Führungsriege. Hätte Timo jemand nach dem finnischen Polizisten mit den besten
     Nerven gefragt, wäre ihm mit Sicherheit als Erstes Mattila in den Sinn gekommen.
    Timo hatte ihn gebeten, einen Mann aus dem »Bär«-Team auszusuchen, und Mattila hatte sich für Kariluoto entschieden. Kariluoto
     war das Paradebeispiel eines Polizisten der jungen Generation: er beherrschte mehrere Sprachen, war ruhig und auf positive
     Art selbstbewusst. Als Timo ihm die Einzelheiten des Falles geschildert hatte, war es darum nicht nötig gewesen, die Risiken,
     die ihre Operation beinhaltete, zu verschweigen.
    Kariluoto und Mattila hatten eine schwere Kommandoausrüstung eingepackt, mit Overall, Kevlar-Weste, Helm und allem, was dazugehörte.
     Außerdem trugen beide einen GP S-Navigator von der Größe eines Handys bei sich. Das Mitführen von Waffen hätte dagegen ein langwieriges Tauziehen mit den italienischen
     Behörden erfordert, weshalb sie ihre Pistolen und Gewehre in Finnland gelassen hatten. Timo wusste nur zu gut, dass sie als
     kleine unbewaffnete Gruppe ohne Unterstützung im Ausland nicht viel ausrichten konnten – aber doch mehr als er alleine.
    Das war nicht zuletzt eine Frage der Psychologie. Mit einem einzelnen Menschen konnte man machen, was man wollte, notfalls
     konnte man ihn sogar umbringen. Bei einem Team der Polizei aus einem E U-Mitgliedsstaat war das schon etwas anderes. Oder würden sie auch hier vor einer Eliminierung nicht zurückschrecken? Timo glaubte das nicht.
     Trotzdem hatte er seine beiden Kollegen ausdrücklich auf die Gefahr aufmerksam gemacht.
    Er warf einen Blick auf Heli Larva, die durch das Fenster gebannt |394| die Vorbereitungen rund um die Maschine beobachtete. Timo begriff, dass sie Angst vorm Fliegen hatte. Sie war keine, die von
     einem Kongress zum anderen jettete. Stattdessen fuhr sie mit dem Fahrrad zum Recyclinghof.
    Auf einmal tat sie ihm Leid. Warum war ihr Leben nicht anders verlaufen? Er konnte sie sich gut im Presseraum des CERN vorstellen,
     wie sie über ihre Forschungsergebnisse berichtete. Aber Mitleid war das vollkommen falsche Gefühl, und er schämte sich geradezu
     dafür. Hätte Heli denn ihre »Unabhängigkeit« für Geld oder andere irdische Güter verkaufen mögen? Vielleicht begriff sie selbst,
     dass sie aus der Not eine Tugend gemacht hatte.
    Mit einem Ruck setzte sich die Maschine in Bewegung. Die Männer lasen die Boulevardzeitungen, und Timo sah sich die Karte
     mit dem eingezeichneten Koordinatenpunkt bei Volterra an. Er prüfte, wie man am schnellsten vom Flughafen Florenz dorthin
     kam.
    Sobald er in Gedanken Soiles Schicksal streifte, erwachten Schuldgefühle und Angst in ihm. Er glaubte nicht, dass man ihr
     etwas antun würde, aber bevor alle Unklarheiten beseitigt waren, würde man sie wohl kaum freilassen. Oder aber man würde sie
     gerade
nicht
freilassen, wenn die Unklarheiten beseitigt waren   ... Warum sollten die Amerikaner in dem Fall eine Ausnahme machen? Schließlich hatten sie schon häufiger unter Beweis gestellt,
     dass sie jederzeit bereit waren, Menschen zu eliminieren, um zu bekommen, was sie wollten.
    Timo schaltete sein Handy aus und nahm die Kopien, die Soile für ihn gemacht hatte, aus der Tasche. Unter den Texten über
     Nishikawa war eine Beschreibung der Herstellung von Antiteilchen. Während die Maschine zur Startbahn rollte, überflog Timo
     den Artikel.
     
    Der Protonenstrahl wird auf das geeignete Ziel gerichtet, worauf neben Protonen, Pionen und anderen normalen Teilchen auch
     einige Antiprotonen entstehen. Wenn das Ziel in ein Magnetfeld gerückt wird, nimmt die Bahn der

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