Das Hiroshima-Tor
zu erzählen. Ich bin auf den Vorschlag von Lucas nicht eingegangen. Ich habe eine weiße Weste. Stepan habe
ich ein paar Mal in Genf gesehen, aber ich habe mich auf keinerlei Zusammenarbeit mit ihm eingelassen. Eine Wissenschaftlerin
darf kein Instrument der Politik und der Macht sein. Sie hat ausschließlich der Wissenschaft gegenüber loyal zu bleiben.«
|400| 52
Baumgarten und Novak sahen die Finnin genau an. Soile Nortamo lag blass auf dem Bett, die Elektroden des Pontifex waren an
ihrer Kopfhaut befestigt. Sie wurde von Sally Nishikawa getrennt gehalten, darum war als Vernehmungsraum nicht der Keller,
sondern das Schlafzimmer gewählt worden. Draußen war es bereits dunkel.
»Du hast gesagt, Timo Nortamo habe dich gebeten, herauszufinden, was man über die Japaner weiß, die bei dem Unfall ums Leben
kamen«, sagte Baumgarten. »Hat er diese Bitte letzte Woche geäußert?«
»Nein. Gestern.«
»Wusste dein Mann, warum Interesse an Yoshima Nishikawa besteht?«
»Nein.«
Baumgarten warf Novak einen Blick zu und nickte schwach. Für die Interpretation dieser Antwort brauchte man keine Gehirnstromanalyse.
Die Frau sagte die Wahrheit.
David Perry saß mit dem Telefonhörer am Ohr im Wohnzimmer.
»Das Gelände rund um den Koordinatenpunkt ist über zig Kilometer hinweg nichts als ebene, trockene Wüste«, sagte sein DARP A-Kollege aus China. »Es gibt hier in Fushan kein Straßennetz, keine Siedlungen, nichts. Wir sind auf der falschen Spur, Dave.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Perry. Sie diskutierten eine Weile, dann legte er enttäuscht auf. Er nahm einen Schluck Cola
und starrte auf die Papiere, die er vor sich hatte, auf die Koordinaten |401| , den DN S-Code des Quastenflossers und den Text von Isama Nishikawas Gedenktafel.
Hiroshima wurde in dem Gedicht auf der Tafel nicht erwähnt, aber es wurde ziemlich eindeutig darauf verwiesen. Davon ging
das Analyseteam in Washington aus.
Novak betrat das Wohnzimmer.
»Der Ort ist wahrscheinlich der falsche«, sagte Perry. »Wir sind wieder am Nullpunkt angelangt.«
»Das dachte ich mir. Wir hätten mit dem Pontifex wenigstens irgendeine Reaktion von der Nishikawa bekommen, wenn es in China
gewesen wäre.»
»Wir sind am Nullpunkt angelangt«, wiederholte Perry leise. Er starrte auf den Text. »Was steht da?«, fragte er etwas lauter.
Novak warf ihm einen Blick zu. »Was willst du ...«
»Sag mir, was da steht!«
Novak ließ sich von Perrys Aufregung anstecken.
»Eine Stadt am Nullpunkt, ein Mensch wird geboren und
. .
.«
»Eine Stadt am Nullpunkt. Hiroshima ist der Nullpunkt ...« Perry unterbrach sich. Er nahm einen Stift in die Hand und zog vom Längengrad Hiroshimas den Wert der DN S-Koordinaten ab. »... und nicht Greenwich ...« Er tippte die neuen Koordinaten in seinen Computer. »... dann ist der Ort ...«
Auf dem Bildschirm erschien ein Ortsname. »... dieser hier.«
Novak starrte auf das Wort. Volterra.
Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging in den Keller.
Jørgensen saß in einem am Straßenrand geparkten Wagen, zweihundert Meter vom Haus der Amerikaner entfernt. Er hielt die Augen
geschlossen, um sich ganz auf das zu konzentrieren, was er über den drahtlosen Kopfhörer hörte, in den das Lasermikrofon sein
rauschendes, undeutliches Signal schickte.
Der Ton wurde zugleich digital aufgezeichnet. Jørgensen regulierte mit dem mikroprozessorgesteuerten Kästchen die Profile |402| und Akzentuierungen der unterschiedlichen Frequenzbereiche, um den Ton so klar wie möglich zu bekommen.
Ein Teil der Sätze und Wörter ging in den Störungen unter, aber es war genug zu verstehen.
»Besorg uns einen Flug nach Pisa oder Florenz
...
und dort dann einen Wagen
. .
.«
Jørgensen notierte die Städtenamen.
»Colin, lass uns versuchen, ob wir von Nishikawa eine Reaktion auf Volterra bekommen oder auf etwas in der Richtung
. .
.«
Die Kurve auf dem Display des Indikators, der neben Jørgensen auf dem Sitz lag, veränderte sich jäh. Das hieß, dass der Funkverkehr
aus dem Gebiet zunahm.
Jørgensen schickte eine kurze Nachricht nach Peking und bereitete sich darauf vor, seinen Posten zu verlassen.
Auf Baumgartens Stirn bildeten sich Schweißperlen. Nicht einmal in der Nacht wurde es im Keller kühler. Im Licht der Lampe
musterte Baumgarten intensiv das Gesicht von Sally Nishikawa. Novak stand hinter ihm.
»Sagt dir der Ortsname Volterra etwas?«, fragte Baumgarten die Frau vor
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