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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Volterra.
    Nishikawas Urne war aus Volterra-Alabaster.
    Ein Gefühl des Triumphes durchfuhr Timo. Heli war ein Genie! Ein verrücktes Genie.
    Oder handelte es sich nur um eine Koinzidenz? Alabasterurnen gab es auf der Welt zu Tausenden.
    Timo zog den Zettel mit der Telefonnummer von Maria Aguilar aus der Tasche. Er rief sie an und kam sofort zur Sache. »Hat
     Sally Ihnen gegenüber jemals die Stadt Volterra in der Toskana erwähnt?«
    »Nicht dass ich wüsste   ...«
    »Besitzt sie etwas, das aus Alabaster hergestellt sein könnte?«
    »Ja. Einen Halsschmuck, in den etwas eingraviert ist   ... Sie erraten vermutlich, was.«

|387| 50
    Blass und erschöpft lag Sally Nishikawa auf der Plastikplane. In dem Anhänger ihrer Halskette waren die Umrisse des Latimeria
     so klein eingraviert, dass man sie kaum erkennen konnte.
    Die Luft im Keller war stickig. Baumgarten saß neben der Waschmaschine auf einem Gartenstuhl aus Kunststoff, und Novak stand
     hinter ihm.
    »Ist dein Mann je in China gewesen?«, fragte Baumgarten.
    »Soweit ich weiß, nein.« Sally Nishikawa bewegte kaum ihre bleichen Lippen.
    Baumgarten gab die Antwort in den Computer ein, obwohl er sicher war, dass sie nicht gelogen hatte.
    »Hast du schon mal den Namen Huafan gehört?«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern.«
    Novak trat näher. Er konnte sich langsam nicht mehr beherrschen. Er fuhr sich über den Scheitel. »Hast du oder hast du nicht?«
    Baumgarten warf ihm einen Blick zu.
    »Nein«, sagte Nishikawa.
    »Und Fushan?«, fragte Novak.
    Sie schüttelte müde den Kopf.
    Novak ging nach oben, und Baumgarten druckte den Pontifex-Bericht aus. Ihm zufolge hatte die Frau die Wahrheit gesagt.
    Das war für Baumgarten keine Überraschung. Er hatte es an der Bereitschaft gesehen, mit der sie geantwortet hatte. Natürlich
     war es möglich, dass sie von einer China-Reise ihres Mannes einfach nichts wusste.
     
    |388| Timo musterte die beiden Frauen, die ihm gegenübersaßen. Das Gesicht von Premierministerin Marjatta Lahdensuo verriet nichts,
     es war die aus der Zeitung bekannte Gipsmaske. Auch Präsidentin Kirsti Heino wirkte einigermaßen gelassen. Beide waren erfahrene
     Politikerinnen und beherrschten ihr Pokerface.
    Mit diesem Pokerface hatte Frau Heino vor Jahren, als sie noch Innenministerin war, Timos Vater Paavo Nortamo ins Gefängnis
     gebracht, um sich bei den Russen anzubiedern. Timo spürte die Wut in sich aufsteigen, hielt sich aber zurück.
    »Worum geht es?«, fragte die Präsidentin mit dünner, kühler Stimme.
    »Sie wissen, worum es geht. Rautio hat Sie ja dankenswerterweise auf dem Laufenden gehalten. Von Anfang an.«
    »Ich weiß zwar nicht, warum Sie gegen mich agieren, aber   ...«
    »Ich agiere gegen niemanden. Ich will nur, dass die Wahrheit ans Licht kommt.«
    »Die Wahrheit?« Auf dem Gesicht der Präsidentin blitzte ein zynisches Lächeln auf. »Wäre die Welt doch nur so einfach   ...«
    Timo versuchte, ruhig zu bleiben. Konnte sich der Blick von Politikern dermaßen gründlich trüben? Er erinnerte sich an Aussagen
     der Präsidentin über einige Finnen, die unter Stasi-Verdacht geraten waren
. Damals hatte man nach den Spielregeln der damaligen Zeit zu leben
...
    »Wenn man sein Leben lang Kuhhandel betreibt und am Rednerpult Lügen erzählt, glaubt man dann mit der Zeit selbst daran?«,
     fragte Timo aufgebrachter, als er es beabsichtigt hatte. »Beginnt man irgendwann tatsächlich zu glauben, dass alles relativ
     ist? Auch die Wahrheit?«
    Rautio machte ihm ein scharfes Zeichen, aber Timo hielt seinen Blick auf die Augen der Präsidentin gerichtet, die schmaler
     wurden und sehr ernst. Nun verschwand auch der letzte Anflug von Freundlichkeit aus ihrem Gesicht.
    »Sind Sie gekommen, um Beleidigungen vorzutragen, oder haben Sie auch ein sachliches Anliegen?«, fragte die Präsidentin.
    |389| »Wissen Sie, ich fasse es als Beleidigung auf, wenn man sich über mich lustig macht, weil ich sage, die Wahrheit müsse ans
     Licht gebracht werden. Der Richter, der Ihr Verhältnis zum KGB untersuchen wird, wird sicherlich Verständnis für meine Reaktion
     aufbringen.«
    »Ich habe gar nicht gewusst, dass ich in einen Prozess involviert bin«, entgegnete die Präsidentin spitz.
    »Sie stehen in dem Moment vor Gericht, in dem sich der Staatsanwalt zur Anklage entschließt. Zur Voruntersuchung wird es unweigerlich
     kommen, sobald das Thema seinen Weg in die Medien gefunden hat.«
    »Deine Unverschämtheit kennt keine Grenzen«,

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