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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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funktionierendes Urteilsvermögen unabdingbarer
     denn je. Aufgrund der politischen Brisanz waren die Ermittlungen derart explosiv, dass Timo davor graute. Trotzdem musste
     die Wahrheit ans Licht kommen.
    War das Ganze bereits zu einer Zwangsvorstellung bei ihm geworden? Hatte er sein Urteilsvermögen womöglich längst verloren?
     Nein. Natürlich war der versuchte Deal mit Lahdensuo – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – ein Fehler gewesen. Aber die einzige
     Chance, die er gehabt hatte, war, die Aufnahme an sich zu bringen. Allerdings hatte er die falschen Mittel gewählt. Er hätte
     in Ruhe abwarten müssen, bis Lahdensuo das Lokal verlassen hatte.
    Timo riss eine Wartenummer für den Schalter mit den Auslandstickets aus dem Automaten. Die Angestellte bediente den einzigen
     weiteren Fahrgast, einen amerikanisch wirkenden Rucksacktouristen.
     
    Der Mann in der schwarzen Lederjacke stand an der Tür zu der Halle mit den Fahrkartenschaltern und sah Timo Nortamo warten,
     bis er am Schalter für den internationalen Verkehr an die Reihe kam. Der Mann trat zur Seite und wartete ab.
     
    Der Kunde vor ihm verließ den Schalter, und Timo rückte nach.
    »Ich habe telefonisch einmal Sankt Petersburg und zurück reserviert. Auf den Namen Timo Nortamo.«
    Die Angestellte tippte etwas in ihren Computer.
    |95| Indizien zu beschaffen würde kein Problem sein, aber von Finnland aus an handfeste Beweise zu kommen, wäre wohl unmöglich.
     Über Asko Lahdensuo war nun endgültig nichts mehr zu holen. Wenn noch irgendwo etwas zu bekommen war, dann in Russland. Oder
     genauer gesagt: in der Sowjetunion.
    Nachdem er sein Ticket hatte, ging Timo in die Bahnhofshalle, um sich Reiseproviant zu kaufen. Er hatte Valeri angerufen,
     seinen alten Kontaktmann in Sankt Petersburg, der früher für den KGB in der sowjetischen Botschaft in Helsinki gearbeitet
     hatte. Timo hatte ihn kennen gelernt, als er im Auftrag von SiPo und KRP als Sonderexperte in Petersburg war. Damals hatte
     Valeri einen Posten als Verbindungsmann zwischen FSB – der Nachfolgeorganisation des KGB – und der Anti-Mafia-Einheit der
     Miliz innegehabt.
    Es war unwahrscheinlich, aber möglich, dass Valeri etwas über die KG B-Diskette oder sogar über »Sperling« wusste.
    Timo bat am Kiosk um eine Plastiktüte für seine Einkäufe und machte sich auf den Weg zum Bahnsteig. Es waren immer mehr Leute
     unterwegs, Pendler, die von den Nahverkehrszügen ausgespuckt wurden.
    Vor Timo ging eine Gruppe von vier Russen auf den
Sibelius
zu, der am Bahnsteig bereitstand. Er würde um 14.23 in Sankt Petersburg ankommen. Timo suchte die Nummer seines Waggons.
    »Guten Morgen«, sagte eine tiefe, selbstsichere Stimme hinter ihm.
    Timo blickte sich um und sah einen Mann mit halblanger schwarzer Lederjacke.
    »Nach Sankt Petersburg?«, fragte der Mann.
    Misstrauisch griff Timo nach der Haltestange an der Tür und wollte einsteigen.
    »Inspektor Könönen von der Sicherheitspolizei. Mein Chef will mit Ihnen sprechen.«

|96| 14
    Die Überraschung war perfekt. Timo wäre fast ins Stolpern geraten. Er riss sich zusammen, trat auf den Bahnsteig und sagte
     möglichst ruhig: »Neu im Haus?«
    »Nicht besonders. Ich habe vor drei Jahren angefangen.«
    Timo ging neben dem Ermittler zurück zum Ausgang. »Wo ist Rautio?« Er gab sich Mühe, die Besorgnis zu kaschieren, die sich
     in seine Stimme geschlichen hatte.
    Der Mann antwortete nicht. War Asko Lahdensuo mit seinem Diktiergerät zur SiPo gegangen? Nein. Das war unmöglich. Es wäre
     idiotisch von ihm gewesen, Timos Angebot öffentlich zu machen. Es musste etwas anderes dahinterstecken. Wo drückte der Schuh
     plötzlich so akut? Sollte tatsächlich etwas vertuscht werden?
    Der Ermittler wich nicht von Timos Seite, als wollte er eine mögliche Flucht verhindern. Sie gingen zum Rand des dunklen Parks
     an der Ostseite des Bahnhofs, wo ein paar Autos geparkt waren. Timo wollte seinen Augen nicht trauen, als er Rautios Toyota
     darunter erkannte.
    Der Ermittler öffnete die hintere Tür und bedeutete Timo, einzusteigen.
    »Guten Morgen, Timo«, sagte Rautio im Dunkeln auf dem Rücksitz.
    Timo setzte sich neben ihn und fühlte sich immer unbehaglicher. Der Ermittler warf die Tür zu.
    »Was soll das hier?«, beschwerte sich Timo. Er wollte mit seinem harschen Ton von der Anspannung ablenken.
    »Du hast dich also doch entschlossen, den einsamen Reiter zu |97| spielen«, sagte Rautio so verächtlich, dass Timo die Galle hochstieg.
    »Ich

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