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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Raum.

|89| 12
    Timo war aufgeregter, als er erwartet hatte.
    Er musterte den Schwager der Premierministerin. Asko Lahdensuo, groß, gut aussehend, trug ein perfekt sitzendes, lässiges
     Tweedsakko und ein Hemd ohne Krawatte. Sie hatten sich in der Bar des
Rafaello
niedergelassen, an einem etwas abseits stehenden Tisch an der Wand.
    »Warum interessiert sich die Sicherheitspolizei für meine Reise nach Paris?«, fragte Lahdensuo mit neutraler Stimme.
    Timo hatte die SiPo bei seinem Telefonat mit keinem Wort erwähnt. Bevor er antworten konnte, fuhr Lahdensuo fort: »Ich verstehe,
     dass man bei euch an den Beziehungen meiner Firma nach Russland und in den Irak interessiert war, aber man wird ja wohl noch
     unbehelligt nach Paris fahren dürfen.«
    Lahdensuo redete schnell und betont selbstsicher, aber Timo spürte eine gewisse Nervosität im Auftreten seines Gegenübers.
    »Es geht hier nicht um geschäftliche Dinge.« Timo sah dem Mann ruhig in die Augen. Er hatte beschlossen, die Taktik des schnellen,
     überfallartigen Angriffs zu wählen. »Sie waren auf dem Pont Marie, um eine KG B-Diskette entgegenzunehmen. Aber das Ganze ging schief.«
    Auf Lahdensuos Gesicht war Überraschung zu erkennen, aber er wirkte nicht außergewöhnlich angespannt. Seine Antwort kam wie
     aus der Pistole geschossen: »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Sie wollten auf dem Pont Marie eine Archivdiskette des KGB in Empfang nehmen«, wiederholte Timo leise.
    »Auf dem Pont Marie?« Lahdensuos Blick wurde kälter. »Ja, |90| ich habe auf irgendeiner Brücke einen Selbstmord oder so etwas gesehen, aber ich war sicher nicht dort, um ›etwas in Empfang
     zu nehmen‹. Eine lächerliche Behauptung.«
    Timo überlegte kurz. Es war schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte. Lahdensuos Teflonschild wies nicht den geringsten
     Sprung auf, nicht einmal einen Haarriss, in den er den Keil hätte treiben können. Timo ärgerte sich jetzt, dass er seine Karten
     ohne stärkere Beweise aufgedeckt hatte. Der bloße Aufenthalt auf einer Brücke machte noch keinen zum Verbrecher, und das wusste
     Lahdensuo.
    Timo beugte sich weiter nach vorne und sagte gedämpft: »
Sperling hat sich als Generalsekretärin ihrer Partei   ...
und so weiter.«
    Er merkte, wie Lahdensuos Blick noch schärfer wurde, und versuchte, diesen Moment der Unsicherheit zu nutzen. »Wenn Sie mir
     Informationen über den Hintergrund und die Quelle der KG B-Diskette liefern, gebe ich Ihnen die Möglichkeit, ungeschoren aus der Sache herauszukommen«, sagte Timo. Er hätte nie gedacht, dass
     er einmal einen solchen Vorschlag unterbreiten würde, aber das war jetzt die einzige Chance, weiterzukommen. Er musste etwas
     über die Herkunft der Diskette erfahren. Dieses eine Mal kannte die Not kein Gebot.
    Lahdensuo richtete einen stählernen Blick auf ihn. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, von welcher Diskette Sie sprechen.«
    Plötzlich begriff Timo, dass das hier verdammt schief gehen konnte. Lahdensuo setzte darauf, dass es keine rechtlich stichhaltigen
     Beweise gegen ihn gab – und damit hatte er Recht.
    »Außerdem«, fügte Lahdensuo hinzu, »käme mir so ein Pakt sehr sonderbar vor. Kriminell, würde ein Richter sagen.« Während
     er sprach, schob er eine Hand in die Innentasche seines Sakkos und zog ein kleines Diktiergerät hervor.
    Timo starrte auf das brennende rote Lämpchen neben der RE C-Taste und auf die größer werdende Zahl auf der Flüssigkristallanzeige. Er spürte, wie sich unter seinem Herzen etwas zusammenzog.
     Auf einmal hatten sie die Rollen getauscht.
    |91| Lahdensuo schaltete das Aufnahmegerät aus. In Timos Wahrnehmung wurde die Zeit angehalten. Er hatte einen entscheidenden Fehler
     gemacht, für den es einen einzigen Beweis gab, und der lag in den Händen des Mannes, der ihm gegenübersaß.
    Lahdensuo spulte die Aufnahme einige Sekunden zurück und drückte die Wiedergabetaste.
»Es geht hier nicht um geschäftliche Dinge
«, hörte Timo seine eigene Stimme aus dem Lautsprecher . »
Sie waren auf dem Pont Marie, um eine KG B-Diskette entgegenzunehmen   ...«
    »Löschen Sie das«, zischte Timo. Gleich würde auf dem Band der Satz kommen, der seine Integrität für immer zunichte machen
     konnte, wenn er an die falschen Ohren geriete.
    Timos Blick folgte dem winzigen silbernen Diktiergerät auf dem Weg zurück in Lahdensuos Jackentasche. Darin würde er es aus
     dem Restaurant tragen, und anschließend konnten Kopien angefertigt werden und

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