Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
den Nachbartischen interessiert herübersehen.
»Ein Scheißkerl im positiven Sinne?«, hakt Lorcan nach. »Oder … oh.« Er sieht mein Gesicht.
»Ich habe gelogen. Daniel ist der schlimmste Albtraum, mit dem sich eine geschiedene Frau je herumschlagen musste, und ich bin verbittert, okay?« Es nur laut auszusprechen ist schon eine Erleichterung. »Und zwar so richtig …« Da fällt mir etwas ein. »Moment. Wir waren zusammen im Bett. Du weißt, dass ich verbittert bin.«
Das kann ihm in unserer gemeinsamen Nacht unmöglich entgangen sein. Ich war ziemlich angespannt.
»Hab mich schon gewundert.« Lorcan neigt den Kopf bekräftigend.
»Lag es daran, dass ich beim Orgasmus ›Fick dich, Daniel!‹ geschrien habe?«, kann ich mir nicht verkneifen, dann hebe ich eine Hand. »Entschuldige. Schlechter Scherz.«
»Du musst dich nicht entschuldigen.« Lorcan zuckt mit keiner Wimper. »Eine Scheidung kann man nur mit schlechten Witzen überstehen. Sagt der Arzt zum Patienten: ›Was macht eigentlich Ihr altes Leiden?‹ ›Keine Ahnung, Herr Doktor, wir sind seit einem halben Jahr geschieden.‹«
»Warum ist eine Scheidung so teuer?«, kontere ich unweigerlich. »Weil sie es wert ist.«
»Warum heiraten geschiedene Männer? Schlechtes Gedächtnis.«
Er wartet darauf, dass ich lache, aber ich habe mich in meinen Gedanken verloren. Die Adrenalinflut ist verebbt und hat das Geröll altbekannter Gefühle zurückgelassen.
»Es ist nämlich so …« Ich kratze mich an der Nase. »Dass ich meine Scheidung nicht überlebt habe. ›Überleben‹ würde bedeuten, dass ich derselbe Mensch wäre, der ich vorher war, oder?«
»Wer bist du denn jetzt?«, fragt Lorcan.
»Ich weiß es nicht«, sage ich nach langer Pause. »Ich fühle mich ausgebrannt. Verbrennungen dritten Grades. Nur kann sie keiner sehen.«
Lorcan verzieht das Gesicht, aber er schweigt. Er ist einer von den wenigen Menschen, die abwarten und zuhören können.
»Ich dachte schon, ich verliere den Verstand«, sage ich und starre in mein Glas. »Konnte es wahr sein, dass Daniel die Welt so sah? Konnte es wahr sein, dass er diese schrecklichen Sachen über mich erzählt und die Leute ihm glauben? Aber das Schlimmste ist, dass man damit ganz allein dasitzt. Eine Scheidung ist wie eine kontrollierte Sprengung. Von außen betrachtet sieht alles nur halb so schlimm aus.«
»Von außen betrachtet.« Lorcan nickt energisch. »Manche Leute sind das Letzte , oder? Die einem sagen, dass man einfach an was anderes denken soll?«
»Ja!« Ich nicke, denn das kenne ich auch. »Die einem sagen: ›Denk positiv! Sei froh, dass du nicht bei einem schrecklichen Unglück entstellt worden bist!‹«
Lorcan prustet vor Lachen. »Du kennst dieselben Leute wie ich.«
»Mehr als alles andere auf der Welt wünsche ich mir, ich müsste nie wieder was mit ihm zu tun haben.« Ich atme langsam aus, stütze meinen Kopf kurz auf die Hände. »Ich wünschte, man könnte sich … ich weiß nicht … die Erinnerung an seinen Exmann herausoperieren lassen.« Lorcan lächelt beipflichtend, und ich stürze meinen Wein herunter. »Und wie war es bei dir?«
»Es war ziemlich schlimm.« Er nickt. »Als es ums Geld ging, wurde der Umgangston eher unfreundlich, aber wir hatten keine Kinder, was vieles einfacher machte.«
»Du hast Glück, dass ihr keine Kinder hattet.«
»Nicht wirklich«, gibt er tonlos zurück.
»Doch – wirklich – hast du«, beharre ich. »Ich meine, wenn es erst ums Sorgerecht geht, ist das ein völlig anderer …«
»Nein, habe ich nicht.« Seine Stimme bekommt einen schneidenden Ton, den ich von ihm nicht kenne, und plötzlich fällt mir auf, dass ich nur sehr wenig über sein Privatleben weiß. »Wir konnten nicht«, fügt er kurz hinzu. »Ich konnte nicht. Und ich würde sagen, dass dieser Umstand zu achtzig Prozent schuld an unserer Trennung ist. Oder sagen wir gleich: zu hundert Prozent.« Er nimmt einen großen Schluck von seinem Whisky.
Ich bin so erschrocken, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll. Mit diesen Worten hat er ein so tieftrauriges Schicksal preisgegeben, dass ich sofort ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich mein ach so schweres Los beklage. Immerhin habe ich noch Noah.
»Das tut mir leid«, stammle ich schließlich.
»Ja. Mir auch.« Er betrachtet mich mit verkniffenem Lächeln, und ich merke, dass er mir mein schlechtes Gewissen ansieht. »Obwohl es, wie du sagst, alles noch komplizierter gemacht hätte.«
»Ich meinte ja
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