Das Höllenbild
ich versuchte bereits auf diesem außergewöhnlichen Weg, mit ihm einen Kontakt zu erhalten. Auch wollte ich herausfinden, ob es ein negatives oder ein positives Image hatte und etwas in die Richtung Höllenbild tendierte.
Es war einfach alles möglich, aber den eigentlichen Kontakt bekam ich leider nicht.
Das Bild blieb mir verschlossen.
Nach einigen Minuten kannte ich jedes Detail. Ich wußte, welcher der dort gemalten Steine glatter war als die übrigen. Welcher sich geschliffen zeigte oder auch spitzer. Es war einfach alles so normal geworden, und trotzdem hatte ich es nicht geschafft, das Geheimnis zu lüften. Das Gemälde blieb nach wie vor rätselhaft.
Für mich kam ich auch zu einem Resultat. Wenn das Bild es nicht wollte, daß sich ein Mensch mit ihm einließ, dann konnte derjenige auch nichts machen. Er mußte sich den Kräften des anderen einfach unterordnen.
So sahen die Regeln aus.
Jemand öffnete die Tür, und dieses Geräusch störte mich. Ich hörte langsame Schrittgeräusche und stand übergangslos unter Strom, weil mir der Gedanke an Arlene Shannon durch den Kopf schoß.
Blitzschnell drehte ich mich um. Meine Hand befand sich schon auf dem Weg zur Waffe, aber ich berührte sie nicht, denn von dem Museumswächter drohte mir keine Gefahr.
Er kam auf mich zu. Sein Gesicht zeigte einen erwartungsvollen Ausdruck. Unter dem Schirm der Mütze hoben sich die Brauen an. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen blieb er vor mir stehen.
Mißtrauen glomm in seinen Augen.
»Guten Tag«, sagte ich.
Der Mann erwiderte den Gruß nicht, sondern sagte: »Ihnen scheint das Bild zu gefallen.«
»Ja«, gab ich zu, »es fasziniert mich sogar.«
»Das sieht man Ihnen an.«
»Tatsächlich?«
»Ich habe meine Erfahrungen, glauben Sie mir. Ich kenne die Menschen, die sich hier umschauen. Viele sind gelangweilt, vor allen Dingen die Schulklassen. Da muß man immer besonders aufpassen, denn wird die Langeweile zu groß, machen die Kinder Unsinn. Es gibt auch andere, die einfach nur schauen, nichts sprechen, nahezu ehrfürchtig an unseren Exponaten vorbeigehen und sie bestaunen. Und dann kenne ich noch die Freaks.«
»Was sind das für welche?«
»Schauen Sie in den Spiegel, Mister.«
»Sie halten mich für einen Freak?«
»In der Tat.«
»Was haben Sie dagegen?«
»Im Prinzip nichts. Sie sind harmlose Menschen auf der einen Seite, auf der anderen aber sind sie auch besessen. Sie können sich einfach nicht von den Dingen trennen, die sie hier sehen. Sie versinken regelrecht darin. Manchmal werden dann Grenzen aufgelöst. Da tun sie irgend etwas Verrücktes. Nicht daß sie versuchen, handliche Dinge zu stehlen, dafür sind wir hier sehr gut bewacht, aber der Frust, sich diese Exponate nicht in die Wohnung stellen zu können, lockert in ihren Köpfen oftmals eine Schraube. Dann drehen sie durch und versuchen, das Bild zu beschädigen oder zu besprayen. Das ist hier geschehen. Schauen Sie sich die Schmierereien an, Mister. Sie glauben gar nicht, welchen Ärger wir bekommen haben. Ich weiß auch nicht, aus welchem Grund man den Totenkopf und das Wort Power auf das Gemälde gesprayt hat. In der nächsten Woche wird unser Chefrestaurator aus dem Urlaub zurückkehren und sich des Gemäldes annehmen. Vielleicht kann er es retten.«
»Ja, möglich.« Ich räusperte mich. »Sie halten mich also für einen Menschen, der in Ihre dritte Schublade paßt.«
Der Wärter hob nur die Schultern.
»Das bin ich nicht. Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich interessiere mich aus anderen Gründen für das Gemälde. Um aber auf die Sprayereien zurückzukommen, Mister, könnten sie nicht mit der Frau in einem Zusammenhang gestanden haben?«
»Kann sein.«
»Sie haben sich die Frau angeschaut?«
»Klar, ich kenne das Bild.«
»Und was sagen Sie dazu?«
Er hob die Schultern. »Meine Güte, was soll ich dazu schon sagen? Seltsam war es.«
»Sie paßt nicht in dieses Motiv.« Ich stand so, daß ich den Blick des Wärters auf die Frau verdeckte. So konnte er nicht wissen, daß sie verschwunden war, und ich wollte auch nicht, daß er es bemerkte. So bewegte ich mich nicht von der Stelle und war froh, daß er es ebenfalls nicht tat.
»Was sich der Maler dabei gedacht hat, Mister, das weiß ich auch nicht. Unsere Experten jedenfalls sind davon überzeugt, daß dieses Gemälde uralt ist. Vielleicht hat der Maler in die ferne Zukunft sehen können, aber ich will mir nicht den Kopf darüber zerbrechen.«
»Ihnen geht es allein um
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