Das Höllenbild
worden?«
»Schon besser.«
»Dann gehst du davon aus, daß sie das Bild aus eigener Kraft verlassen hat?«
»Weiß ich nicht.« Im Gegensatz zu Suko war ich nicht eben gesprächig.
Mir paßte die Entwicklung überhaupt nicht. Ich ärgerte mich wahnsinnig darüber und kam mir vor wie jemand, der von einer Person an der Nase herumgeführt wird.
Wie jemand, der einen anderen Menschen trösten will, so legte mir Suko eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, was du jetzt denkst oder weiß es auch nicht. Wie dem auch sei, John, wir sollten uns nicht nur mit den Tatsachen abfinden, sondern auch darüber nachdenken, wie es letztendlich weitergeht.«
»Stimmt.«
»Eine Idee hast du nicht, das sehe ich dir an.«
Er erhielt zunächst einmal keine Antwort, weil ich meine Gedanken sortieren mußte. Auf eine kaum erklärbare Art und Weise hatte die Frau das Bild verlassen. Ich holte mir ihre Beschreibung noch einmal ins Gedächtnis zurück und dachte dabei auch an die Waffen, die sie getragen hatte. Das machte sie gefährlich. Zurück zum eigentlichen Verschwinden. Da gab es für mich nur zwei Alternativen. Entweder befand sie sich in unserer realen Welt, oder sie war weggetaucht in die Vergangenheit, in der noch der Kontinent Atlantis existiert hatte. Es war eine Möglichkeit, aber an sie wollte ich nicht unbedingt glauben. Für eine Person wie Arlene Shannon war auch unsere Gegenwart wichtig, mit der sie sich besser identifizieren und wo sie sich auch zurechtfinden konnte.
»Was ist los mit dir, John?«
»Sie ist in unsere Zeit gekommen!«
»Aha.«
»Wieso?«
»Ich denke auch so«, gab Suko zu. »Und ich denke sogar noch einen Schritt weiter.« Sein Gesicht sah ernst aus. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie das Bild verlassen hat, um nur einmal zu schauen, was sich in den letzten zehn Jahren verändert hat. Diese Person hat nichts vergessen, John, gar nichts. Ich könnte mir deshalb denken, daß sie unterwegs ist, um jemanden zu finden.«
Ich wußte, was er meinte und sprach den Namen aus. »Commander Curly Sheppard.«
»Richtig!«
»Dann ist er in Gefahr«, sagte ich. »Man sollte ihn warnen.«
»Einverstanden. Hast du dein Handy mit dabei?«
»Das liegt im Wagen.«
Es gefiel uns beiden nicht. Wir hatten zudem das Gefühl, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen. Suko sprach das aus, was ich dachte.
»Arbeitsteilung. Wie ich dich kenne, kannst du von diesem Bild nicht los. Du willst sein Geheimnis ergründen. Wir möchten aber keine Toten haben. Also muß einer von uns zu Sheppard gehen und ihn warnen. Siehst du die Dinge ebenso?«
»Natürlich.«
»Du willst bleiben?«
»Ja.«
»Okay, dann gehe ich. Aber ich komme wieder, John, und ich hoffe, dich noch hier vorzufinden.«
Mein Lächeln fiel grimmig aus. »Wo hätte ich denn sein sollen?«
Suko sagte nichts. Er deutete nur nach vorn auf das Bild. »Was anderen gelingt, John, daß…«
»Schon gut, ich weiß, was du meinst.«
»Und ich kenne dich.«
»Vor Atlantis habe ich mich noch nie gefürchtet.«
»Stimmt. Aber die Shannon ist gefährlich. Du mußt auch damit rechnen, daß sie wieder auftaucht und dich nicht eben als ihren Freund ansieht. Okay, keinen Pessimismus. Wir werden versuchen, beide Dinge zu regeln. Ist das in deinem Sinn?«
»Ja.«
»Dann mach’s gut.« Suko nickte mir noch einmal zu und eilte der Tür entgegen. Ich schaute ihm nicht nach. Mit einem leisen Geräusch fiel die Tür wieder ins Schloß. Ich blieb zurück und hatte eigentlich damit gerechnet, eine gewisse Einsamkeit zu spüren, was allerdings nicht der Fall war, denn im Beisein des Gemäldes fühlte ich mich nicht mehr einsam. Ich hatte zwar nicht unbedingt den Eindruck, einen Freund in der Nähe zu wissen, aber eine Beklemmung oder Furcht war mir nicht anzumerken. Eher eine gewisse Spannung und Erwartungshaltung.
Vor dem Bild war ich stehengeblieben. Nach unserer neuen Entdeckung hatte ich mir die Rückseite noch nicht angesehen.
Um sicherzugehen, setzte ich mich in Bewegung und umrundete das Bild.
Auf der Rückseite hatte sich nichts verändert. Der Fels sah noch immer grob und wie gewachsen aus. Er war auch dicht, so daß es mir nicht gelang, durch ihn hindurchzuschauen und die Vorderseite zu sehen.
Alles war so schrecklich normal. Vor dem Bild blieb ich wieder stehen.
Ich suchte nach einer Möglichkeit, mit den in ihm existierenden Kräften Kontakt aufzunehmen. Dabei versank ich förmlich in meine Betrachtungen. Ich stand zwar noch vor dem Gemälde, aber
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