Das Höllenbild
ein stummes Wesen auf dem Bild, was aber nicht so blieb, denn die Kontaktaufnahme passierte tatsächlich.
In meinem Kopf entstand so etwas wie ein leichtes Brausen, als wäre der Wind dabei, durch meinen Kopf zu wehen. Es war eine Botschaft aus der fernen, fremden Welt, nur konnte ich sie nicht entziffern. Der Götterbote reagierte eben auf seine Art und Weise, er wollte klarstellen, daß es ihn gab, daß er mich möglicherweise auch verstanden hatte. Ich wollte ihm antworten, wie ich es gewohnt war, aber er ergriff die Initiative.
Das Brausen blieb nicht mehr auf meinen Kopf beschränkt. Es fuhr in meinen ganzen Körper, auch die Arme und Beine. Dagegen wehren konnte ich mich nicht. Ich stand wie unter Strom.
Er hatte mich nicht grundlos erwischt. Davon ging ich aus. Es schien ein Anfang zu sein, doch Angst hatte ich nicht. Ich war einfach nur gespannt, wie sich die Dinge mit mir noch entwickelten. Dann merkte ich, daß dieses elektrisierende Brausen zunahm, besonders in den Beinen.
War es die neue Kraft, die mich durchfloß, wobei es mir nicht gelang, sie zu beeinflussen?
Ich hatte keine Ahnung. Aber ich stemmte mich auch nicht gegen sie, sondern überließ mich ihr voll und ganz.
Warum gab es plötzlich keinen Druck mehr unter meinen Füßen?
Weshalb war das breite Gemälde zu einem Magneten geworden und ich zu einem Stück Eisen, das von ihm angezogen wurde? Ich glitt dahin…
Ich schwebte einfach auf das Gemälde zu und dachte kurz daran, daß es Arlene Shannon ebenso ergangen sein mußte. Auch ich konnte nicht mehr selbst über mich bestimmen und erlebte nur, wie die gesamte Breite des Bildes zusammenwuchs, weil ich einfach schon zu nahe an das Gemälde herangekommen war und nur mehr einen kleinen Ausschnitt sah. Und der schrumpfte noch.
Ich berührte das Gemälde. Es öffnete sich für mich, und ich wurde zu einem Teil von ihm…
***
Arlene Shannon grinste kalt, als sie über den Bewußtlosen hinweg und in das Gesicht des Commander schaute. »Gut gemacht, Curly, wirklich gut. Du bist zehn Jahre älter geworden, scheinst aber immer noch auf der Höhe zu sein. Das freut mich, denn ich lege nicht gern Schwächere um. Ist eine Manie von mir.« Sheppard schwieg.
Was sollte er auch groß sagen? Dieses Weib hatte die besseren Karten, und er war ihm wie ein Anfänger in die Falle gelaufen.
Wie ein Gimpel. Das würde er sich niemals verzeihen, solange er lebte, was allerdings sehr kurz sein konnte, denn der Haß dieser Frau war geblieben.
»Wer ist das?« fragte sie.
Sheppard hob nur die Schultern.
Sie richtete die Mündung so, daß sie auf die Stirn des Mannes wies.
»Soll ich dir ein Loch in den Schädel schießen?«
»Nicht unbedingt.«
»Dann beantworte mir die Frage.«
»Er heißt Suko.«
»Und weiter?«
»Mehr nicht. Ich kenne seinen Nachnamen nicht.« Er war entschlossen, der Frau nicht die Wahrheit zu sagen. Eine Notlüge war ihm bereits in den Sinn gekommen.
»Willst du mich für dumm verkaufen?«
»Auf keinen Fall, Arlene, aber die Wahrheit ist eben zu unwahrscheinlich.«
»Ich will sie trotzdem hören und entscheide mich anschließend.«
»Okay. Er ist mein Karatelehrer.«
»Er ist – er ist…« Sie hatte Mühe, nicht laut loszulachen. »Habe ich richtig gehört? Er ist dein Karatelehrer?«
»Ja. Ich halte mich fit. Auch in meinem Alter ist das nötig.«
»Aber du jagst keine Menschen mehr – oder?«
Der Commander atmete innerlich auf. Sie hatte seine Notlüge akzeptiert.
Das war schon mal ein Fortschritt.
»Du bist mir schon wieder eine Antwort schuldig, Mann!«
»Es stimmt, ich bin nicht mehr im aktiven Dienst. Ich habe eine gewisse Altersgrenze erreicht.«
Arlene Shannon konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Sag nur, man hat dich in Rente geschickt.«
»Das nicht, aber so ähnlich. Ich habe einen Schreibtischjob. Außerdem hat sich die Szene verändert. In Nordirland hat man Frieden geschlossen. Keine Partei war der große Sieger, alle sind Kompromisse eingegangen, mit denen sie gut leben können.«
Das war für eine Frau wie Arlene Shannon schwer zu verkraften. »Dann gibt es uns also nicht mehr?« fragte sie.
»Nicht mehr so wie damals. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Da kann sich viel verändern.«
»Stimmt, Curly, stimmt genau. Aber gewisse Dinge bleiben immer gleich. Solange die Menschheit existiert, gibt es sie. Dazu gehört auch der Haß. Ihn habe ich in der Zeit konserviert, und er ist um keinen Deut schwächer geworden. Ich habe nichts vergessen,
Weitere Kostenlose Bücher