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Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Titel: Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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jetzt erinnerte er Hawkwood an ein durstiges Pferd, das Wasser wittert. Er war überzeugt, dass Lasseur selbst taub und mit verbundenen Augen den Weg zur Küste finden würde.
    Sie näherten sich dem Dorf von Süden her. Die Hunde drängten die Schafherde zu einer säuberlichen Keilform zusammen und trieben sie vor sich her die Anhöhe hinauf.
    Auch Warden war kein besonders großes Dorf, soweit Hawkwood es durch die Bäume sehen konnte. Es sah aus wie eine weitere Ansammlung ärmlicher Cottages rund um eine Kirche, die sich wie Napfschnecken an den kleinen Küstenvorsprung klammerten, der hier den Arsch der Welt um ein winziges Stück verlängerte.
    Isaac hatte nicht übertrieben, wenn er sagte, dass es ihnen wie ein Kirchgang am Sonntag vorkommen würde, denn genau das taten sie, auch wenn es vielleicht nicht Sonntag war. Die Kirche stand am Dorfende, das dem Meer zugewandt war, keinen Steinwurf vom Klippenrand entfernt. Sie traten aus dem Wäldchen. Die Nachmittagssonne schien auf das alte Mauerwerk, die Ringeltauben gurrten, vor ihnen lag der Kirchhof. Isaac öffnete das Tor, und die Hunde erledigten den Rest. Die Herde zerstreute sich zwischen den Grabsteinen und fing an zu grasen. Isaac sicherte das Tor hinter ihnen, band die Hunde an und ging zwischen den Grabsteinen hindurch zu einer eisenbeschlagenen Seitentür. Hawkwood stellte fest, dass die Grabsteine stark verwittert waren. Die meisten Namen waren nicht mehr zu entziffern, Wetter und Zeit hatten sie abgeschliffen. Man konnte sich gut vorstellen, wie einsam und unwirtlich es hier im Winter sein musste.
    Vor der Tür kniete Isaac sich hin. Er entfernte einen Ziegelstein aus der Kirchenwand, griff in das Loch und holte einen Schlüssel heraus. Lasseur und Hawkwood sahen erstaunt zu. »Der Pfarrer ist nicht zu Hause.« Er setzte den Stein wieder an seinen Platz und fügte hinzu: »Der Pfarrer ist nie zu Hause, wenn jemand geflohen ist.«
    Sie traten durch die Sakristei ein, dann verschloss Isaac die Tür hinter ihnen und ging voran in den Kirchenraum. Hier drinnen war es kühl und trocken; es roch nach Stein und Holz, nach Wachskerzen und Staub. Die späte Nachmittagssone schien durch die Fenster und warf bunte Muster auf Wände und Steinfußboden.
    »Die braucht ihr jetzt nicht mehr.« Isaac deutete auf die Schäferkittel und die Hüte. »Ihr könnt sie dort auf die Bank legen, die Stöcke auch. Und jetzt helft mir mal hiermit.« Isaac ging auf eine Seite des Kirchenschiffs, wo mehrere Steinplatten mit Inschriften in den Boden eingelassen waren. Auch sie waren alt und verwittert, und genau wie bei den Grabsteinen draußen waren die Namen darauf kaum lesbar, doch schien es ihm, als trügen mehrere von ihnen den Namen Sawbridge. Wahrscheinlich eine hochwohlgeborene Familie, die hier ansässig war, dachte Hawkwood, doch eigentlich sah das Dorf für den Wohnsitz einer aristokratischen Familie nicht wohlhabend genug aus.
    Isaac beugte sich hinunter und schob ein Messer in den Spalt zwischen zwei Steinplatten. Die Platte sah dick und solide aus, aber es war überraschend einfach, sie hoch zu hebeln. Hawkwood sah, dass sie sehr viel dünner war als die umliegenden Steinplatten. Wie die Falltür draußen auf der Weide war auch dies eine Tarnung; entweder man hatte sie abgeschliffen oder aus einem leichteren Stein gemacht, mit einer Inschrift versehen und künstlich gealtert, damit sie unter den anderen nicht auffiel.
    Isaac stieg als Erster hinunter und befahl ihnen, zu warten. Man hörte Feuerstein auf Stahl schlagen, und wenige Sekunden später wurde die Dunkelheit dort unten von einer Laterne erhellt. »Kommt jetzt runter«, rief Isaac.
    Er wartete, bis sie ebenfalls unten waren, dann gab er Hawkwood die Laterne, streckte die Hand aus und schob die Steinplatte über dem Loch wieder an ihren Platz.
    Unter der Kirche musste Hawkwood plötzlich an eine andere Krypta denken, die weit entfernt von Kent und seinem Marschland lag. Das Beinhaus unter der Kirche St. Mary, wo er den Mörder Titus Hyde gejagt hatte. Seine Gefährten ahnten nicht, dass es ihm dabei kalt über den Rücken lief.
    Der Tunnel war gerade so breit, dass zwei Mann nebeneinander gehen konnten, aber es war einfacher, hintereinander zu gehen. Isaac ging mit der Laterne voran, Lasseur und Hawkwood folgten ihm. Die Luft war feucht und roch nach Lehm.
    Wo zum Teufel führt er uns hin?, Dachte Hawkwood.
    Sie waren etwa hundert Schritte gegangen, als der Gang anstieg und plötzlich an einer einfachen

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