Das Hohe Haus
muss?«
Es wird nun Christian Ströbele ( B 90 / DIE GRÜNEN ) feststellen, dass der Minister so wenig weiß, wovon er redet, dass er weder Quantität noch Qualität der abgeschöpften Daten nennen kann. Es wird Thomas Oppermann ( SPD ) dem Minister mangelhaftes »Problembewusstsein« attestieren und resümieren, mit ihm würden deutsche Datenschutzrechte nicht zu verteidigen sein. Er wird vom »umfassendsten Angriff« auf unsere Grundrechte sprechen, von Dingen, die »eindeutig illegal und verfassungswidrig« seien und die der Innenminister trotzdem erst aus der Zeitung erfahren habe. Oppermann tritt so kämpferisch auf, wie man es auch von Friedrich erwartet hätte, betont auch die Sorge vor Wirtschaftsspionage, und doch hat man den Eindruck, die Debatte tut diese allerersten Schritte arg verspätet. Man könnte eines Tages zurückblicken und es rührend finden, wie hier noch argumentiert wurde, als de facto alle Deiche längst gebrochen und nicht einmal die Ausmaße der technischen Überwachungsmöglichkeiten bekannt waren.
Selbst der FDP -Abgeordnete Jimmy Schulz – er begrüßt auch die Empfänger an den »Abhörgeräten« – zeigt sich faktisch besser informiert als der Minister und breitet bisher ungehörtes Material aus. Währenddessen sitzt Christian Ströbele vorgebeugt, ruft rein, brennt, weist mit der Hand auf den Redner, wendet sich um und sucht Beipflichter, die hinter ihm sitzen. Deren Mimik aber gibt nichts her. Der Redner spricht nun, als sei er Teil der Opposition, und Friedrich ruht in seinem Stuhl, weit zurückgelehnt, und schüttelt nur einmal unwillig den Kopf.
Auch Ulla Jelpke ( DIE LINKE ) weiß mehr, als der Innenminister eingeräumt hat. Sie informiert beispielsweise darüber, dass die USA auf die Nachfrage der Deutschen nicht einmal geantwortet haben, zitiert Venezuelas Präsidenten Maduro mit dem Satz: »Was würde passieren, wenn die Welt erführe, dass Venezuela spioniert?«, während Innenminister Friedrich im Interview noch unlängst gesagt habe, er verbitte sich »die harsche Kritik an unseren Partnern«. Mit welchem Recht und in wessen Namen kann sich ein Minister Kritik »verbitten«? Die freie Welt, um deren Verteidigung es hier auch geht, kennt diese Option nicht.
Die Angriffe kommen jetzt frontal. Renate Künast ( B 90 / DIE GRÜNEN ) resümiert mit Empörung: Man weiß nicht, was wird ausspioniert und von wem, man weiß nicht, welche Inhalte mitgeteilt und übertragen wurden, doch weiß man, dass sich der Minister durch seinen Amtseid verpflichtete, »unser aller Rechte zu wahren«. Trotzdem wird er durch die Amerikaner abgespeist, mit Andeutungen, mit »Geheimhaltung« vertröstet. »Das lassen Sie sich gefallen, Herr Minister«, lamentiert sie und wendet sich Friedrich zu, der seine Hände vor dem Bauch hat. Er sitzt auch mimisch unbewegt. In der Tat ist die Wehrlosigkeit des Ministeriums eklatant. Ein Grundrecht steht zur Debatte, und man reagiert nachsichtig. Mehr noch: Es geht um den wohl schärfsten Angriff auf die Souveränität Deutschlands, und doch ist nicht einmal sicher herauszukriegen, wer hier wirklich empört ist?
Michael Grosse-Brömer ( CDU / CSU ) etwa argumentiert so weit weg von der Sache, dass man nicht umhin kann zu denken: Das Parlament stellt auch die ins Fenster, die, ausgestattet mit Entscheidungsgewalt, fatal für das Land wären, da diese Repräsentanten zufrieden mit der Abhörung scheinen, nur meinen, »das, was wir gelesen haben, muss hinterfragt werden«, und im Übrigen finden, Steinbrück trage Verantwortung, der Obama ja auch getroffen und das Thema nicht besprochen habe. Auch dieser Redner schreckt vor dem Wort »Überwachungsstaat« heftiger zurück als vor der Sache, und man möchte ihm in Erinnerung rufen: Im Herzen der Legislative, sofern diese die Volksvertretung darstellt, sitzen die Bürgerrechte. Das Verschwinden der Bürgerrechte in der NSA -Affäre war erschreckend, war ein Meilenstein. Man hat öffentlich weniger die Anklage formuliert, sondern man hat das Thema über lange Zeit zu einem Nichtthema erklärt. Das aber entkräftet den Begriff der Volksvertretung im Parlament. Dass Bürgerrechte Kontur verlieren, ist Indiz für das Schwinden der Legislative als Volksvertretung. Das eine ist Symptom für das andere.
Ein anderer Redner der CDU entkernt den Fall um alles Aktuelle und hegt die vulgärpsychologische Sorge, die »Vertrauenskrise« sei das eigentliche Thema. Dieser alte Parlamentarier hat unverhohlen Angst vor
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