Das Hohe Haus
Kalkül zieht. In diesem erkennt er das »Sinnbild der Hightech-Kriege«: Man setzt also robotisierte Kriege gegen Selbstmordattentate, technologische Muster gegen archaische. De Maizière hört nicht zu. Ginge es ihm um die Debatte, er nähme teil und wäre nicht bloß da. So aber signalisiert er: Ich weiß, was ich wissen muss, und brauche kein Parlament für mehr.
Wie zur Schützenhilfe kommen nun mehrere Reihen Uniformierter auf die Tribüne, um zu hören, wie ein FDP -Redner den Minister lobt, der jetzt zuhört. Anschließend spricht er dem Minister sein Vertrauen aus, aber sein Vertrauen ist nicht gefragt. Zur Zwischenintervention Heidemarie Wieczorek-Zeuls steht Volker Kauder bei de Maizière, der so einmal mehr demonstrieren kann, dass ihn die Debatte nicht betrifft. Kauder scheint Witze zu machen, denn de Maizière lacht nun laut, lacht noch, als Kauder schon gegangen ist, lacht noch, als die Rednerin die Ächtung von Kampfdrohnen fordert.
Agnes Brugger ( B 90 / DIE GRÜNEN ) wirkt mit dem weiß geschwungenen Krägelchen und dem Faltenrock wie in absichtsvoller Selbstverharmlosung. Dabei ist sie kämpferisch, ihre Recherchen stimmen, die Chronologie der Ereignisse sitzt. De Maizière malt seinem Nachbarn etwas erklärend auf. Brugger nennt ihn »Drohnenminister«. Der bietet seinem Nachbarn Bonbons an. Sie verweist darauf, dass die USA das Völkerrecht aushöhlen durch ihre Kampfdrohnen-Einsätze. De Maizière ist wieder bei seinem Nachbarn, schaut auf die Uhr, es ist 16 Uhr 48 . Brugger spricht ihn nun direkt an. Der Minister liest lieber. Auf den Vorwurf, gelogen zu haben, reagiert er mit bedächtigem Blättern, jetzt ist er einen Ordner weiter. Die Rednerin nimmt ihm den Nimbus des aufrechten Bürokraten, beharrt, er sei der einzige Minister dieses Kabinetts, »an dessen Akte ein Missbilligungsantrag und ein Untersuchungsausschuss haften«. Nach kämpferischem Schluss geht sie auf ihren Platz, während zwei Soldaten vor mir »heijeijei« sagen, aber anerkennend.
Es folgt, was folgen muss. Der nächste Redner der CDU / CSU , ein rotgesichtiger Klotz mit geschwollenem Kopf, führt früh das Wort »Sauerei« ein, auch »Verarschung der Öffentlichkeit« etc. De Maizière hört gespannt zu, wo es um seine Verteidigung geht. Er wird »Ehrenmann« genannt, legt die Arme über der Brust zusammen, aber in der bescheidenen Variante. Der Redner versteigt sich zu der Behauptung, dass in der Vergangenheit »Kollateralschäden verursacht worden sind, dass vielleicht Einsatzführer aus der Not heraus über das Ziel hinausgeschossen sind«, weil ihre Ausstattung nicht gut genug gewesen sei.
»Über das Ziel hinausgeschossen«, eine Schlingel-Formulierung für zivile Tote. Als Mittel dagegen wird weitere Aufrüstung empfohlen? Kein Standpunkt ist zu abstrus, als dass er es nicht ans Rednerpult des Deutschen Bundestags schaffte. Misst man ihn an seiner Sprache, gilt für diesen Redner offensichtlich, was Rainer Arnold ( SPD ) allgemein festhält: Wer der ethischen Dimension nicht gewachsen ist, darf kein solches Gerät bekommen, und diese ethische Dimension, so sagt er, wurde von de Maizière nicht begriffen. Der Redner setzt sich über den Applaus hinweg, begründet den Ruf nach de Maizières Entlassung. Der sieht nach der Tribüne, wo die Uniformierten sitzen.
Als der Nachfolgeredner der CDU / CSU von dem »bei der Truppe beliebten Verteidigungsminister« spricht, heben zwei ältere Soldaten die Brauen missbilligend, hat de Maizière doch unlängst das Anspruchsdenken der Truppe gerügt und summarisch Verantwortung nach unten verteilt. Die Rede des Minister-Anwalts ist nun dauerhaft unterlegt von Zurufen und Spottbekundungen der Opposition. »Risiken und Rückschläge«, so der Redner trotzig, gebe es immer, steige man aus der Drohnen-Entwicklung aber aus, koste es Arbeitsplätze. Sein Gang an den Platz ist der eines angezählten Boxers.
Die folgende Abstimmung mit Handzeichen führt zur augenscheinlichen Mehrheit für die Missbilligung von de Maizières Amtsführung. Da sich aber eine für die Zählung mitverantwortliche Protokollführerin dieser Meinung widersetzt, muss ein Hammelsprung durchgeführt werden, was vonseiten der Opposition mit Hohnlachen quittiert wird. Per Signalton ruft man alle Abgeordneten aus den Büros. De Maizière geht. Während der Hammelsprung dauert und dauert, spielen die Soldaten »Politiker-Spotting«: Das ist der Kauder, da ist die von der Leyen. Döring stehend und
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