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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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zu den Fakten, den Korrekturen, den Gegenentwürfen.
    Die Kanzlerin reagiert mit zusammengekniffenen Lippen. Kristina Schröder liest vom Display, Ilse Aigner unterhält sich mit Pofalla, von der Leyen, Schäuble, Leutheusser-Schnarrenberger, Friedrich, Wanka lesen Akten, Ramsauer geht, Altmaier ist schon weg. Bedenkt man, dass dies das vorletzte große parlamentarische Duell zwischen der Kanzlerin und dem Kandidaten vor der Wahl ist, zeigt man ein bemerkenswert offenes Desinteresse. Das Fernsehen, das man in diesen Tagen bereitwillig bedient, genießt offenbar mehr Respekt als der Bundestag.  
    Inmitten seiner Zahlen schwimmt Steinbrück einstweilen höchst lebendig, auch seine Gesten werden weiträumiger. Die Begeisterung für den plötzlich animierten Kandidaten schwappt bis in die letzte Reihe. Merkel und Rösler sitzen so dicht nebeneinander, dass sich ihre Arme fast berühren. Manchmal lacht die Kanzlerin, wendet sich um zu Pofalla. Steinbrück sagt eben: »Sie können nicht mit Geld umgehen.« Merkel lacht herzlich. »Wenn Sie in der Wüste regieren würden, würde der Sand knapp.« Sie stiert. »Mein Gott, Sie leben doch von der Rendite, die wir erwirtschaftet haben.« Steinbrück annulliert ihre Reformen eine nach der anderen, keine wird Bestand haben. Er adressiert die Zwischenrufer: »Mein Gott, dass Sie so leicht zu belustigen sind …«, macht Ausflüge in die Geschichte, beherrscht sein Material, reagiert situativ, beweist Schlagfertigkeit.
    Merkel sieht jetzt einfach sehr erschöpft aus. »Das Erbe von Helmut Kohl ist bei Ihnen nicht gut aufgehoben«, muss sie sich anhören, und die Opposition ist plötzlich zufrieden mit ihrem Kandidaten. Gregor Gysi sitzt, als erkenne er im Redner gerade seinesgleichen, hört sprungbereit zu. Merkel kauert mit gefalteten Händen. Da wird Steinbrück leise, trägt staatsmännische Haltung auf: »Wir brauchen eine neue Europa-Regierung.« Oder appelliert: »Wir müssen auch in Europa mehr Demokratie wagen.« Nach getaner Arbeit nimmt er zwischen Gabriel und Steinmeier Platz, die glücklich lachen. Der Applaus währt lange, nur Volker Kauder spottet zur Bank der Trias hinüber.
    Rainer Stinner ( FDP ) verwechselt anschließend Erler mit Erhard. So bringt er also auch den müden Witz zu Heinz Erhardt nicht mehr sicher durchs Ziel. Er nennt Steinbrück einen »Komiker«, verbreitet selbst aber eine solche Peinlichkeit, dass viele aufbrechen, auch Fotografen, Besucher, Parlamentarier, auch die Bundesratsbank hat sich geleert. Die Welle ist gebrochen.
    Auch Gregor Gysi ( DIE LINKE ), der heute leiser und ernster spricht und bei einem drohenden Krieg in der Türkei beginnt, mobilisiert den Saal nicht mehr. Deutschland steht auf Platz  9 der Liste der Steueroasen? Merkel ringt sich zu offenem Lachen durch. Manchmal hängt ihr Lächeln auch zur Unzeit im Saal, so als Gysi sagt, Russland liefere Waffen an Assad. Er argumentiert mit beiden Fäusten, schimpft auch wieder, dass Steinbrück den Rettungspaketen zugestimmt habe, die er jetzt beklage. Steinbrück aber ist nicht mehr im Saal, und auch Merkel wendet dem Redner den Rücken zu, wühlt, während seine Rage über die Unangefochtenheit der Reichen wütet, in ihrer blauen Hängetasche. Im Abgang verneigt sich Gysi maliziös vor dem Block der Rot-Grünen.
    Die Sonne scheint nun auch auf Volker Kauder ( CDU / CSU ) und Jürgen Trittin ( B   90 / DIE GRÜNEN ). Der Erste liest aus einer Zeitung eine CDU -Erfolgsbilanz vor, wird schneidig, appelliert an Merkel, in der Türkei nicht nur über Wirtschafts-, sondern auch über Menschenrechtsfragen zu sprechen, der Zweite steht am Pult, als umarme er einen Baumstamm. Merkels Mund verzieht sich. Starbucks zahle keine Steuern in Deutschland, auch Großkonzerne zahlten nicht dank der »in Taten neoliberalen Klientelpolitik«! Hier nickt auch Gysi. Das Licht hat sich eingetrübt, die Kameraleute reden, der Schwung ist raus, man taucht gemeinsam in eine Zone des Phlegmas. Die Reihen lichten sich weiter. Im Hellgrau der Kuppel schreiten Touristen mit beschleunigten Schritten. Der Junge vor mir blättert sich auf seinem Handy durch schwarzweiße Kriegsfotografien. Die Rednerin am Pult wiederholt gerade Sätze der Kanzlerin, als seien sie schon kanonisch geworden.
    Erst als Ruprecht Polenz ( CDU / CSU ) zu seiner letzten Rede im Parlament antritt, wandelt sich die Atmosphäre. Zwar referiert er zunächst bloß eine statistische Erhebung zu Syrien, aber wie er sie vorbringt, so gramvoll,

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