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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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Deutschland gelingt, dass uns mit unseren Partnern Europa gelingt und dass wir frohgemut in das nächste Jahr schreiten.« Deutschland kann also noch – misslingen?
    Angesichts der Ausbreitung des gestischen Repertoires kann Peer Steinbrück ( SPD ) nicht anders, als die eigene Rede mit diesen Worten zu eröffnen: »Lieber Herr Riesenhuber (…) Sie sind mit Abstand der eleganteste Tänzer am Podium dieses Deutschen Bundestages.« Was folgt, kommt leiser. Der Kanzlerkandidat der SPD tritt vergleichsweise sachlich, staatsmännisch, ohne Strahlkraft auf, vielleicht weil er sie gegen Angela Merkel nicht braucht. Einmal sagt er leise, »dass diese Krise sehr viel mehr kosten könnte als Geld«, eine Wendung mit Blick auf gebrochene Biographien. Die SPD applaudiert tapfer in hoher Schlagzahl.
    Natürlich ist dafür gesorgt, dass die eigenen Leute da sind, wenn das sozialdemokratische Spitzenpersonal redet. Da sind die Reihen der CDU , während Steinbrück spricht, schon schwächer besetzt. Auch Merkels Stuhl bleibt leer, während ihr ehemaliger Finanzminister gegen das Erpressungspotential der Banken wettert und postuliert, eine Regulierung der Finanzmärkte könne schon deshalb nicht, wie von Merkel behauptet, fortgesetzt werden, weil sie noch gar nicht begonnen habe. Der Applaus wirkt lang und forciert, die größte Ausdauer beweisen die hintersten Bänke.
    Im Showdown der Staatsmänner redet Wolfgang Schäuble jetzt vor allem zu den eigenen Leuten, schwört sie ein, um ihnen etwas begreiflich zu machen, das sie selbst bisweilen wohl nur unvollkommen verstehen. Doch freuen sie sich, als er seinen Amtsvorgänger anspricht und bekennt: »Da ich Protestant bin, habe ich auch ein bisschen Mitleid.« Das ist herablassend, soll es aber wohl nicht sein. Schäuble spricht wie ein Welt-Finanzminister und globaler Diagnostiker, der vom »Schritt für Schritt« der Lösungswege, von der Rückkehr des »Vertrauens der Finanzmärkte« wie ein Arzt referiert, der auch schlechte Nachrichten bringen muss, auch an düsteren Farben nicht spart: »Damit zerstören Sie auch Europa« und »untergraben jedes Vertrauen in die Stetigkeit der Entwicklung unserer Wirtschaft.« Zerstören und untergraben: Die Prognosen zur SPD -Politik tendieren alle ins Apokalyptische, sie verlangen nach inständigem Sprechen und autoritärem Ton: »Reden Sie nicht dauernd dazwischen, es nützt gar nichts.«
    Steinbrück lächelt sich kopfschüttelnd durch Schäubles Ausführungen. Der verteilt Prädikate: »Sie haben schon wieder etwas gesagt, was mit meinem Respekt für Sie nicht vereinbar ist.« Und man weiß: Schwer wiegt die Finanzkrise, schwerer die Respektskrise in der Schäuble-Zone. »Warum lassen Sie sich denn durch Tatsachen nicht belehren?« Diese Tatsachen lehren aber auch, wie selbst Schäuble einräumt, dass sich alle zusammen nicht genügend um die Regulierung der Banken – er sagt »die systemrelevanten Institute« – gekümmert haben. Nun tut man es, aber kann man eine zypriotische Bank, die kleiner ist als die Hamburger Sparkasse, wirklich als »systemrelevant« bezeichnen? Und kann man es mit Blick auf die Fakten wirklich leugnen, dass die Finanzinstitute Infektionskanäle in die europäischen Staatshaushalte gelegt haben? Für Schäuble aber ist dies eine »Verschwörungstheorie«, »die nun wirklich zum Himmel schreit«. So muss er sprechen, immerhin gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ist die Schuldenkrise eine Staatsschuldenkrise, wird man mit Strenge, Disziplin, mit Sparmaßnahmen reagieren. Ist es aber eine Bankenkrise, muss man Regulierung fordern. Daran besteht offenbar wenig Interesse.
    Zuerst aber schreit Schäuble zum Plenum. »Ich weiß, warum Sie dauernd dazwischenreden«, herrscht er Johannes Kahrs ( SPD ) an. »Ja, weil Sie Unsinn reden!«, ruft dieser, und Schäuble: »Oh Gott, Sie sind ja sowieso … Das lohnt ja gar nicht.« Die Protokollführerin, getaucht in nachtschwarzes Violett, beschriftet ihren Block mit somnambuler Souveränität. Ihr Kopf hebt sich wie am Vogelbrunnen, sie ordnet den Personen Zwischenrufe zu. Doch die sind nicht drastischer als das, was in den Reden formuliert wird.
    Volker Wissing ( FDP ) hat Steinbrück gerade »maßlose Täuschung der Öffentlichkeit«, fehlenden »Anstand« und fehlende »Aufrichtigkeit« vorgeworfen, dann in den eigenen Triumphen gebadet. Zwischendurch geht eine große Müdigkeit durch den Saal. »Wir sind stolz auf diese Regierung«, sagt Wissing. Da er Teil der

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