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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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Regierungskoalition ist, ist er eigentlich stolz auf sich, und das glaubt man ihm auch. Das Prinzip der Wechselrede ist monoton: Man redet gegeneinander, wird persönlich in der Verletzung, eitel im Selbstlob. Man bedankt sich, sagt, »wir unterstützen die Bundesregierung auch darin …«. Also eigentlich: Ich unterstütze mich. Ich bin zufrieden mit mir. Ich bin weitsichtig. Ich handele besonnen. Ich habe alles wohl erwogen.
    So verdichtet sich der Eindruck, dass sich dieser Apparat zunächst einmal selbst ernährt. Seine Egozentrik lässt in manchen Debatten keinen Raum für die Welt derer auf den Tribünen. Eher geht es, von hier oben gesehen, um Betrachtung und Erhaltung des Status quo, also mehr um einen Zustand als um eine Bewegung. So hat auch der Schüler vor mir aus der gesamten Debatte nur zwei Worte isoliert und sie in feinster Schreibschrift auf das leere Blatt geschrieben: »hanebüchene Fehleinschätzung«.
    Als die Debatten für heute geschlossen werden, haben wir uns mit dem Fachkräftemangel, mit dem Essen an Ganztagsschulen, mit dem Kita-Ausbau, dem Bürgerkrieg in Kolumbien, mit der Betreuung psychisch Kranker beschäftigt, und zuletzt hat ein Kriminaloberkommissar aus der Rauschgiftbekämpfung bei seinem Versuch, die Legalisierung von Cannabis durchzusetzen, Turbulenzen verursacht. Da ist es 22  Uhr  43 , und mein Kopf schwirrt vom Tages-Ausstoß alles dessen, was »wir brauchen«: Was wir brauchen, ist eine politische Rahmensetzung. Was wir brauchen, sind gutes Essen, Vielfalt, ein hoher Bioanteil, regionale Produkte für alle Kinder. Wir brauchen einen soliden Haushalt. Wir brauchen eine aktive Wirtschaftspolitik. Wir brauchen eine vorausschauende Wirtschaftspolitik. Wir brauchen den Politikwechsel in der Wirtschafts- und in der Sozialpolitik. Wir brauchen Investitionen. Wir brauchen endlich eine Art Masterplan. Wir brauchen, meine Damen und Herren, einen klaren Blick auf den Kern dieser Krise. Wir brauchen eine europäische Abwicklungsbehörde. Wir brauchen eine Strategie aller Länder. Wir brauchen einen europäischen Konsens. Wir brauchen ein gutes Bildungssystem und einen modernen Sozialstaat. Wir brauchen mehr Mittel für die Bildung. Wir brauchen keine Ausbildungsplatzgarantie. Wir brauchen eine qualifizierte Einstiegsvorbereitung auf den Beruf. Wir brauchen eine individuelle Berufswegeplanung. Ja, wir brauchen Ärzte, wir brauchen Ingenieure, wir brauchen Lehrer. Wir brauchen eine Rechtsgrundlage. Wir brauchen dazu keine SPD und keinen Peer Steinbrück und keine Braunschweiger Erklärung. Wir brauchen wesentlich mehr junge Leute. Wir brauchen Geld. Wir brauchen ein Umweltmonitoring. Wir brauchen eine ehrliche Analyse. Wir brauchen kein hastiges Rufen nach Verschärfungen. Wir brauchen einen vorsorgenden Gewässerschutz. Wir brauchen ambulante Hilfesysteme. Wir brauchen dringend eine Verbesserung dieser Situation. Wir brauchen ein Sofortprogramm. Wir brauchen einen fächerübergreifenden Ansatz. Wir brauchen endlich konkrete Informationen. Wir brauchen eine verbesserte Versorgung mit Informationen des gesamten Parlaments. Wir brauchen bundesweit qualitative Standards. Wir brauchen Mindeststandards. Wir brauchen Zulassungsregelungen. Wir brauchen die Zwangsbehandlung. Wir brauchen rechtliche Sicherheit. Wir brauchen die besten Köpfe und Hände. Wir brauchen alle klugen Köpfe. Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen. Wir brauchen schleunigst den Wechsel im Land. Wir brauchen veränderte Mehrheitsverhältnisse. Wir brauchen eine neue Regierung. Das heißt, wir brauchen ein Sowohl-als-auch.
    Ich brauche Schlaf.

Mittwoch, 30 . Januar, 13  Uhr  30
    Die Nation diskutiert nach einer Anzüglichkeit von Rainer Brüderle ( FDP ) gegenüber einer Journalistin den politischen Sexismus. Sechzig Prozent der Wähler sagen überraschend, Schwarz-Gelb müsse abgelöst werden. Desirée Nosbusch wird eine Romanze mit Dieter Zetsche, Daimler, nachgesagt. Spaniens Doping-Arzt Fuentes wird verhört. Joey Heindle kehrt als König aus dem Dschungel zurück. Ägyptens Präsident Mursi besucht Berlin.
    In der Befragung der Bundesregierung ist heute das Familienministerium an der Reihe. Die Tribünen sind noch leer, der Plenarsaal ist gerade mal in der ersten Reihe besetzt. Zum Gong erheben sich die wenigen Journalisten, die Schulklassen. Man steht, bis Vizepräsidentin Petra Pau den Saal betritt. Als sie sagt, es sei schwierig, nach der vorangegangenen bewegenden Feier für die Opfer des

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