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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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volkswirtschaftlich falsch«, was er mache, sei »ökonomisch falsch«, es sei auch »politisch falsch«, es sei »Wünsch dir was«. Man glaubt das alles so sehr, wie man eine Sterbearie glaubt. Steinbrück war Merkels letzter Finanzminister. Brüderle war auch damals schon Brüderle. Seine Angriffe kommen jetzt persönlicher. Gerade läuft er zu einer Form auf, von der man ahnt, dass er selbst sie »groß« finden könnte. Immer böser wird er, aber auch immer unverständlicher. Von Marlon Brando sagte ein Kritiker einmal, er spräche, als habe er »feuchtes Klopapier im Mund«. Rainer Brüderle wird stattdessen von Jürgen Trittins Zwischenruf ereilt: »Wo sind die Untertitel wie bei der heute-show?«
    Merkel ist inzwischen ins Innere ihrer Tasche zurückgetaucht. Dann geht sie wieder zu Schröder, die sich belehren lässt, dann zu von der Leyen, die schallend lacht, während Brüderle die Apokalypse beschwört. Steinbrück befindet sich gerade unter Trommelfeuer, aber er markiert mit Leuchtstift einen Text, berät sich mit Steinmeier, lacht, lacht lauter und demonstrativer. Schröder verschickt eine SMS . Brüderle, schmal geworden, beschwört die »fetten Jahre« und endet mit »Packen wir’s an«. Er packt ins Leere.
    Inzwischen hat sich aus der ersten Reihe eine rare Erscheinung gelöst und betritt die Szene: Sahra Wagenknecht spricht von Merkels »wunderbarer Märchenstunde«. Die Kanzlerin geht, Rösler geht, die Regierungsbank leert sich. Wagenknecht ist gerade die einzige Person im Hohen Haus mit Silhouette. Im petrolfarbenen knielangen Kostüm mit knöchelhohen Stiefeletten spricht sie nicht zur eigenen Fraktion, sie spricht mutig und offensiv zu den Regierungsparteien, im Wesentlichen frei, mit weit geöffneten Armen, für eine angesetzte Dauer von acht Minuten.
    Und ist es nicht wahr? Die Banken wurden mit einem Hilfspaket von knapp einer halben Billion Euro gestützt, ohne dass jene, die darüber abgestimmt haben, den Eindruck vermittelten, sie wüssten, worüber sie da abstimmten. Es gab Sachverständige, Experten, Politiker und Ökonomen, man hatte Vertrauen in die Expertise, die zwar nicht selbstlos, aber offenbar »alternativlos« war. Nicht die Banken bezahlten, die Bürger taten es, betroffen vor allem die mit den kleinen und mittleren Einkommen. Sie blickten auf das Parlament, wenn sie noch blicken mochten, und verstanden nicht. Wann hätte sich das Parlament zuletzt gegen eine Empfehlung der Regierung ausgesprochen? Wann hätte es zuletzt seine Hoheit gegen die der Regierung behauptet? Nein, so hoch war das Haus lange nicht.
    Wenn Wagenknecht »Mitglieder der deutschen Bundesregierung« sagt, blickt sie auf die Bank, aber da ist kaum noch jemand, und wer da ist, demonstriert Desinteresse. Keine Fraktion im Haus ist jetzt noch so stark besetzt wie die der Linken. Sie klatschen frenetisch, immer wieder öffnet Wagenknecht ihre Arme – um wen zu umfangen? Die Zahlen prasseln. Da sind die » 4 , 5  Billionen Euro, die die europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dafür aufgebracht haben, marode Banken zu retten«, da sind die » 3 , 2  Milliarden Euro«, die die Deutsche Bank im Jahr 2012 an Boni ausgeschüttet hat. Da sind die »bis zu eine Billion Euro faule Kredite in den Bankbilanzen europäischer Banken«. Es schwindelt die Zuhörer auf den Tribünen auch angesichts von Zahlen, die im Parlament niemand sonst zitiert.
    Wagenknecht hat jetzt lauter rhetorische Fragen, lauter demaskierende Antworten. Mit zurückgesetztem rechten Fuß, geradezu mitten im Marschieren, erreicht ihre Empörung die Klimax. »Ihre Politik macht Europa kaputt. Ihre Politik macht die Demokratie in Europa kaputt«, sagt sie und droht zuletzt ihren »massiven Widerstand« an. Dann greift sie sich ihr Wasserglas und schreitet zu ihrem Platz in der ersten Reihe, wohl ahnend, dass ihre Erscheinung sie nicht minder vereinzelt als ihre Position.
    Dagmar Enkelmann nickt, Dieter Dehm ( DIE LINKE ) spricht sofort mit hoher Suggestivität auf Wagenknecht ein. Die lacht, legt die Hände zusammen, nimmt sich ihr Mobiltelefon, verschickt eine Nachricht. Merkel ist jetzt wieder zurückgekehrt, aber nur zum Aktenstudium. In diesem Moment arbeiten gerade alle auf der Regierungsbank in ihren Papieren. Das Parlament ist am ehesten ein Büro mit angeschlossener »Speakers’ Corner«.
    Als Jürgen Trittin das Pult erreicht hat, reibt er sich erst mal lange die Hände und moniert, dass die Kanzlerin Europa nicht habe erklären

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