Das Hohe Haus
Miene zum bösen Spiel machen?
Die Ministerin sitzt hell gewandet, ernst, das Profil dem Rednerpult zugewandt. Dass sie in diesem Augenblick vom einzigen Sonnenstrahl aus der Kuppel illuminiert wird, verleiht ihr eine Aureole, die man erst für Kameralicht halten könnte. Es ist aber die Natur selbst, die mit einer Shakespeare’schen Dramaturgie die schweigende Protagonistin isoliert.
Die Reihe der Gegnerinnen wird eröffnet von Katrin Göring-Eckardt ( B 90 / DIE GRÜNEN ). Sie saß am Vorabend bei Anne Will, sagte dort, was sie hier noch einmal sagen wird, sanft Kämpferisches gegen die »Dreimal-Umfallerin« Ursula von der Leyen, die immer noch reglos zuhört, während die Rednerin mit der Frische einer Schülersprecherin von der »bitteren Enttäuschung«, den gebrochenen Versprechen, von der fraglosen Ungleichbehandlung spricht, wenn es »in den Aufsichtsräten einen Frauenanteil von 3 , 7 Prozent gibt und immer noch fast neunzig Prozent der Führungen großer Unternehmen von Männern gestellt werden«.
Haltlos ist die Position, sich einer Quote zu verweigern, nachdem die vielbeschworene »Selbstverpflichtung der Wirtschaft« zu keinem Resultat führte. Man ahnt, dass von der Leyen selbst sie haltlos findet, dass nicht geringe Teile der eigenen Fraktion sie haltlos finden, verteidigt wird sie trotzdem, starr wie die Körperhaltung, die die Ministerin auch beibehält. Zur gleichen Zeit findet man auf den Startseiten der Online-Magazine die ersten Berichte zur laufenden Debatte. Begleitet werden sie von einem Foto, auf dem man eine betrübte von der Leyen sieht, die mit vor dem Schoß gefalteten Händen zu Boden blickt. Die Zeile darunter fragt: Umfallerin oder Verräterin? Das Foto aber stammt nicht aus der Debatte, es stammt aus der Gedenkminute für Ottmar Schreiner, in der jeder im Saal genauso dastand wie sie.
Heute aber vertritt selbst Volker Kauder ( CDU / CSU ) die eigene Position nur halbherzig. Sie lässt sich paraphrasieren mit den Worten: Die Wirtschaft will es besser machen. Macht sie es nicht bald besser, werden wir demnächst eingreifen. Was er sagt, wird von Zwischenrufen so lange unterbrochen, bis er die seltsame Replik formuliert: »Frau Künast, ich höre Ihnen als Mann zu und bitte Sie, dass Sie als Frau mir auch zuhören.« Man erfährt nicht, mit welcher Geschlechtlichkeit Renate Künast anschließend zuhört, Zwischenrufe aber werden in der Regel von denen getätigt, die zuvor zugehört haben. Dann geschieht das Erwartete. Kauder hat herausgefunden, dass der grüne Ministerpräsident Kretschmann nur vier von zwanzig freien Stellen an Frauen vergab! Die Bemerkung wird von der Kanzlerin mit demonstrativem Schaukeln des Rumpfes, also nicht nur einem Kopf-Nicken, sondern einem Torso-Nicken beantwortet. Sie hört gar nicht mehr auf zu schaukeln.
Dann erhebt sie sich und konferiert auf der Regierungsbank mit Kristina Schröder, während Kauder das letzte Wort aus dem Phrasenarsenal zieht und sagt: »Das ist ein guter Tag für die Frauen in unserem Land.« Ein guter Tag, an dem den Frauen gesagt wird: Bis zum Jahr 2020 bekommen die Unternehmen die Möglichkeit, die Quote von dreißig Prozent zu erreichen. Wenn sie diese bis dahin nicht erreicht haben, kommt die gesetzliche Vorschrift. Einen Einwand von Volker Beck nennt Kauder dann rasch noch »schäbig« und geht ab, ganz der triumphierende Soldat einer verlorenen Sache, an die er selbst nicht glaubt.
Es ist dann Frank-Walter Steinmeier ( SPD ), der die Stimmung auf den Begriff bringt, als er sagt: »Ich weiß nicht, was mich in dieser Situation fassungsloser macht: die Ignoranz, die dahintersteckt, wenn man das Problem überhaupt nicht erkennen will, oder aber zu wissen, was eigentlich zu tun ist, und dann am Ende, wie ich befürchte, hier im Hause gegen die eigenen Überzeugungen zu stimmen.« Angela Merkel hört die Worte nicht, sie redet gerade mit jeder Frau auf der Regierungsbank außer mit von der Leyen, denn sie weiß: Dieses Bild, auf das die Fotografen heute vor allem warten, wäre zu missgünstig deutbar. Da kann Steinmeier noch so sehr »an ihre Ehre« appellieren, er tut es ohne Gegenüber.
Doch bleibt es einer Frau vorbehalten, einer Liberalen namens Nicole Bracht-Bendt ( FDP ), dem Thema die letzte, groteske Wendung zu geben, indem sie gleichermaßen Freiheit und Firmen gegen die Frauen verteidigt und sagt: »Deshalb will ich hier der Wirtschaft ganz klar sagen: Sie stehen nicht auf verlorenem Posten. Wir werden nicht
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