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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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Göring-Eckardt den Umstand erwähnt, »dass der schäbigste Bau in der Gemeinde immer die Schule ist«, empört sich die Koalition. Neumann hat aufgelegt, spricht jetzt mit einem, der sich neben ihn bückt. Exakt einen Satz hört er sich an, dann telefoniert er wieder. Die Rede ist präzise, pointiert, faktenreich. Das kommt manchmal wie eine erholsame Ernüchterung in den Saal. Der Politiker produziert ja die Enttäuschung, die er weckt, mitunter selbst, indem er öffentlich all das zu sein vorgibt, was er meist gar nicht ist: empört, erregt, mitleidig, dankbar, engagiert – Unhaltbares verspricht er. Da wirkt das bloß Informative schon entlastend.
    Neumann liest ein Papier, dreht sich um, lacht, redigiert, redet mit Nachbarn. Auch dass Peter Götz ( CDU / CSU ) dem Präsidenten für die »einfühlsamen Worte« zur Flut dankt, hört er nicht, sondern redet jetzt laut mit dem vor ihm Sitzenden. Seine Stimme dringt bis auf die Tribüne. Er präsidiert, argumentiert mit erhobener Hand, beugt sich lachend nach vorn. Jetzt wird auch sein Gesprächspartner animierter, gestikuliert mit walzenden Bewegungen. Die Debatte ist exakt eine Stunde alt. Nach Sekunden des Stillhaltens findet der Kulturstaatsminister endlich wieder Ansprache. Man lacht gemeinsam. Dann studiert er einen längeren Text, befeuchtet den Finger zum Blättern.
    Inzwischen steht Bernd Scheelen ( SPD ) im hellen Anzug samt rosa Krawatte am Pult. Sein Gestus aber ist der des hemdsärmeligen, jedoch überzeugten Sozialdemokraten. Er redet frei, poltert, führt seine Attacke in alle Richtungen, legt einen Unterarm auf das Pult und argumentiert mit dem Oberkörper, den Blick nicht von den Gegnern wendend. Nein, sagt er, zur Bezeugung von 117  Seiten Selbstlob der Regierung bräuchten die Vertreter der Kommunen nun wirklich nicht aus den Hochwassergebieten anzureisen. Er zitiert noch »Wanderers Nachtlied« von Goethe. Neumann blättert, korrigiert, bestellt jemanden ein, legt Blätter hinter sich.
    Ob eine Abgeordnete auf hohem Empörungsniveau krakeelt, ob einer eine Büttenrede hält und sich zum »Pfleger des ländlichen Raums« erhebt, ob Fakten rekapituliert, Erfahrungen resümiert oder der Slogan eines Pizza-Services auf die Regierung bezogen wird, ein einziger Zoom auf den Kulturstaatsminister verdeutlicht, dass das Parlament oft von außen mehr Aufmerksamkeit fordert, als es sich selbst zu spenden bereit ist. Warum Neumann das Parlament besucht hat? Um ein Bild abzugeben. Es ist gerade das des Verächters. Eben besteht die Rednerin der SPD auf der parlamentarischen Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Parlament und Regierung aber fehlt erst einmal Selbstkontrolle. Sie alle wissen, dass Kameras immer nur Augenblicke isolieren. Wer aber im Kontinuum bleibt, sieht erst, wie zerfahren das Kollektiv eigentlich ist. Die Erfolge der Regierung? Sie interessieren nicht mal die eigenen Leute.
    Man ist bei der Wohnungsnot. Die Jugendlichen auf der Tribüne grollen vernehmlich, als Patrick Döring ( FDP ) behauptet, in den deutschen Großstädten lebe man preiswerter »als in allen anderen Großstädten der Europäischen Union«. Der Punkt der Übererregung ist so schnell erreicht, dass Kaskaden von Zwischenrufen das Plenum bis an die Tumultgrenze tragen. Das wird nicht weniger, als Verkehrsminister Peter Ramsauer im Anzug des Undertakers mit Aphorismen aufwartet wie: Wohnen sei ein »Grundbedürfnis der Menschen« und: »Wohnen und Leben in Deutschland ist Premiumleben, ist Premiumwohnen«, und das gelte auch in den »Überhitzungszonen unseres Landes«. Meint er den Prenzlauer Berg, wo sich der Mietmarkt in den letzten Jahren so überhitzte, dass die Bevölkerung fast völlig ausgetauscht worden ist?
    Breitbeinig steht Ramsauer da, sein Habitus ist das Unwetter, das erst nur dräut, aber jederzeit losbrechen kann. Ist es so weit, hat die Stimme mehr Fülle als der Leib, und Zeus donnert: »Nicht strangulieren, sondern initiieren. (…) Ich sage das ausdrücklich, weil ich diese Diskriminierung von Eigentum nicht mehr hören kann. (…) Denn nur wer Eigentum hat, kann Solidarität üben.« Wo lokalisiert man in Deutschland den Punkt, an dem Eigentum »diskriminiert« wird? Warum steht nur Besitzern die Fähigkeit der Solidarität zu? Wo muss man seine Bildung empfangen haben, wenn man Empathie an die Kategorie des Eigentums bindet? Und wo bestellt man solche Reden, die überall belacht würden, nur nicht im Bundestag? Am Ende aber löst sich auch dieser

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