Das Hohelied des Todes
Gesicht, das sie an seine Brust schmiegte, sah sie so verloren und verlassen aus wie ein nasses Hündchen.
Seufzend gab er sich geschlagen. »Ich bin nur einen Telefonanruf entfernt, Schatz«, sagte er. »Wenn du mich anrufst, komme ich mit dem nächsten Flieger nach.«
Sie nickte und zog seinen Kopf zu sich herunter.
Ein langer, süßer Kuß.
Eine Flugnummer wurde aufgerufen.
»Das ist meine Maschine«, sagte sie und wischte sich die Tränen ab. »Ach, Gott, Peter. Was soll ich bloß ohne dich machen?«
Er lächelte. »Du schaffst es schon ohne mich.«
Viel zu gut, dachte er.
»Ich glaube nicht«, sagte sie und machte sich von ihm los. Sie atmete tief durch. »Bringst du mich noch zum Flugsteig?«
Decker zögerte. »Ich habe mich schon von den Jungen verabschiedet. Ich glaube nicht, daß deine Eltern besonders entzückt wären, mich noch einmal zu sehen.«
»Du wirst mir schrecklich fehlen«, sagte sie.
»Du wirst mir auch schrecklich fehlen«, sagte er. »Du schreibst mir, ja? Oder noch besser, ruf an … ein R-Gespräch.«
»Das ist doch nicht nötig, Peter«, sagte sie. »Ich habe das Gefühl, wir werden riesige Telefonrechnungen zusammenbekommen.«
»Die gehen alle auf mich.«
»Wir teilen sie gerecht auf.«
»Emanze.«
»Wohl kaum.« Ihre Unterlippe zitterte.
»Ich habe mir etwas überlegt, Rina«, sagte er. »Wenn ich weiter bei Rabbi Schulman Unterricht nehme, sollte ich wohl besser einen jüdischen Namen annehmen. Was hältst du davon?«
»Ich finde, das ist eine schöne Idee«, sagte sie, und ein strahlendes Lächeln trat auf ihr Gesicht.
»Schulman hat mir Pinchas vorgeschlagen. Wahrscheinlich, weil es noch die meiste Ähnlichkeit mit Peter hat. Aber dann habe ich erfahren, daß Pinchas auf englisch Phineas bedeutet, so wie dieser Phineas Fogg aus In achtzig Tagen um die Welt. So wollte ich doch nicht unbedingt heißen.«
»Der Name paßt auch nicht zu dir«, sagte sie. »Pinchas war ein religiöser Eiferer.«
»Das bin ich nun wirklich nicht«, sagte er. »Ich dachte an Akiva. Was meinst du?«
»Das gefällt mir sehr!«
Zum letzten Mal wurde ihr Flug aufgerufen.
»Ich muß gehen.« Sie küßte ihn sanft auf die Lippen. »Paß auf dich auf.«
Sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie drehte sich um und ging Richtung Flugsteig davon. Wie anmutig sie sich bewegte.
»Ich liebe dich, Rina«, rief er hinter ihr her.
»Ich liebe dich auch, Akiva«, rief sie und wandte sich noch einmal halb zu ihm um, während sie auf ihre Familie zulief.
Als Decker in seinen Wagen stieg, spürte er, daß seine Wangen naß waren. Verdammter Smog, dachte er und rieb sich die brennenden Augen. Nicht einmal am Abend hat man seinen Frieden.
25
Decker beschleunigte den Porsche auf einhundertvierzig und raste über den leeren Freeway. Geschwindigkeit und Fahrtwind verliehen ihm ein Gefühl unendlicher Freiheit, Jugend und Unsterblichkeit. Es war Monate her, daß er so schnell gefahren war, aber nach dem Abschied von Rina mußte er die aufgestauten Emotionen einfach abreagieren und irgendwie Dampf ablassen. Der Rausch der Selbstvergessenheit dauerte nur wenige Minuten, dann meldete sich sein Piepser, und gleichzeitig sah er im Rückspiegel, daß er von einem Streifenwagen mit Blaulicht verfolgt wurde. Er fuhr rechts ran, holte verärgert seine Marke heraus und zeigte sie dem uniformierten Beamten. Erst nachdem der Officer sie gründlich überprüft hatte, gab er sie ihm zurück.
»Wieviel hatte ich denn drauf?« fragte Decker.
»Hundertsiebenundvierzig.« Der Officer warf bewundernde Blicke auf den Porsche. »Toller Schlitten.«
»Danke. Ich habe ihn mir nach und nach aus Einzelteilen zusammengebastelt«, sagte Decker. »Hat ganz schön was unter der Haube.«
»Ich habe eine 68er Corvette. Aufgemotzt bis zum Gehtnichtmehr. Das ist vielleicht ein heißes Geschoß.«
»Ein Düsenjäger auf vier Rädern.«
»Das können Sie laut sagen, Sergeant.« Er lächelte. »Fahren Sie vorsichtig.«
»Ich bin gerade angepiepst worden«, sagte Decker. »Ich arbeite bei der Mordkommission. Dürfte ich wohl mal eben Ihr Funkgerät benutzen?« Er gab dem Cop die Nummer seiner Abteilung und wurde einen Augenblick später mit der Foothill Division verbunden.
»Eine heiße Spur?« fragte der Streifenbeamte, nachdem Decker wieder eingehängt hatte.
»Möglich. Man soll die Hoffnung nie aufgeben«, sagte Decker. Er stieg in seinen Wagen und raste, eine Wolke Auspuffgase hinter sich zurücklassend,
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