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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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zumindest ihre Mutter. Sie konnte es nicht finden. Aber ansonsten soll nichts fehlen.«
    »Wenn Lindsey von zu Hause abgehauen ist, hat sie nicht viel mitgenommen«, sagte Decker. »In ihrem Zimmer sah es nicht so aus, als ob sie unglücklich gewesen wäre.«
    »Vielleicht hatte sie bloß keine Lust mehr, die Heilige zu spielen«, meinte Marge. »Sie war keine Heilige«, sagte Decker. »Sie hat ein bißchen gesündigt. Zumindest habe ich in ihrem Geheimversteck die Pille und ein Haschischpfeifchen gefunden.«
    »Davon hat Mutter mir nichts verraten.«
    »Wie denn auch?« meinte er. »Ich habe die Sachen in einem Stofftier entdeckt, einer großen Schildkröte mit eingearbeitetem Reißverschluß.« Decker überlegte kurz. »Aber das hat an meinem Eindruck trotzdem nichts geändert. Es war nichts von Wut oder jugendlicher Aufsässigkeit zu spüren. Und weißt du, was noch gefehlt hat? Individualität. In dem ganzen Zimmer war nicht ein einziges ausgefallenes, originelles Stück zu finden.«
    »Das ist normalerweise genau die Sorte, die sich urplötzlich aus dem Staub macht«, sagte Marge. »Die fressen alles in sich rein.«
    »Dann hätte sie aber bestimmt die Pille mitgenommen«, meinte Decker.
    »Die kriegst du doch an jeder Ecke. Aber ein Tagebuch … das würde man auf jeden Fall mitnehmen.«
    »Stimmt«, sagte Decker. »Schon möglich also, daß sie mit ihrem Tagebuch und den paar Klamotten, die sie auf dem Körper hatte, abgehauen ist.«
    »Ich habe eine Liste ihrer Freunde«, sagte Marge. »Die dürften ihr Bild noch abrunden. Außerdem müßte jemand mit ihrer Schwester reden.«
    »Was hast du heute noch auf dem Programm?« fragte Decker.
    »Nachmittags muß ich zum Gericht.«
    »Gib mir die Liste«, sagte Decker. »Ich will mal sehen, was ich machen kann.«
    »Außerdem hatte Mrs. Bates einen Privatdetektiv engagiert. Einen Mitarbeiter der Agentur Marris. Ich habe mir von ihr eine Vollmacht geben lassen. Er erwartet in ungefähr einer Stunde unseren Besuch.«
    »Kein Problem«, sagte Decker. »Hat er irgendwas ausgegraben?«
    »Laut Mrs. Bates ist bloß eine gesalzene Rechnung dabei rausgekommen.«
    »Wahrscheinlich hat er ihr nicht sagen können, was sie hören wollte«, meinte Decker.
    »Bestimmt«, sagte Marge. »Ich finde, du solltest die kleine Schwester befragen. Ich habe das Gefühl, daß sie und Mama nicht allzugut miteinander auskommen. Vielleicht hat sie mehr für Männer übrig.«
    »Von mir aus gern«, antwortete er. »Aber ich möchte, daß du mitkommst. Ich bin nicht gern allein mit einem Teenager zusammen, der auf Männer steht.«
    »Das stimmt natürlich«, sagte Marge schmunzelnd. »Darauf kannst du nun wirklich verzichten.«
     
    Die Agentur Marris war eine florierende Detektei, Lee Krasdin ein aalglatter Vertreter seines Fachs. Decker konnte ihn auf Anhieb nicht leiden. Mrs. Bates hatte recht gehabt. Der Kerl hatte keinen Finger für sie krumm gemacht.
    »Ist das alles?« fragte Decker, nachdem er Krasdins Bericht gelesen hatte.
    Krasdin spreizte die Finger und legte sie platt auf den Schreibtisch, als wollte er sich hochstemmen. Vor Anstrengung lief er violett an.
    »Mehr konnte ich nicht ausrichten, Detective«, sagte er nervös.
    »Sind Sie nicht auf die Idee gekommen, daß sie von zu Hause ausgerissen sein könnte?«
    »Jeder, mit dem wir geredet haben, hat sie als liebes, braves Kind beschrieben. So was gibt es, Sergeant, daß ein kleiner Engel plötzlich unter die Räder kommt.«
    Decker sah ihn angewidert an.
    »Sie haben ihre Schwester nicht befragt?«
    »Die Schwester war nicht ansprechbar. In einem solchen Zustand kann man von den Leuten keine Unterstützung erwarten.«
    Decker mußte an den hippokratischen Eid denken: Vor allem aber richte keinen Schaden an. Das war noch das einzige, was man diesem Stümper zugute halten konnte.
    »Wissen Sie eigentlich, mit wie vielen Ausreißern wir pro Woche zu tun haben?« versuchte Krasdin sich zu rechtfertigen.
    »Nicht mit so vielen wie wir.«
    »Ich will Ihnen mal was sagen«, erregte sich Krasdin. »Einen Ausreißer rieche ich zehn Meilen gegen den Wind, aber diese Kleine hier ist nicht freiwillig von zu Hause weggegangen. Wir haben mit ihren Freunden geredet, mit Verwandten, Geistlichen, Lehrern. Das Mädchen ist von irgendwem aufgegabelt und entführt worden. Da konnten wir weiter nichts unternehmen.«
    »Mr. Krasdin, wenn ein Mensch vermißt wird, dann suche ich nach ihm. Wenn er sich bei Bekannten oder Verwandten nicht meldet, muß

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