Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
Warum?«
    »Und wann ist Truscott ausgezogen?«
    Sie beäugte ihn. »Sie machen Witze.«
    »Ist der Müll schon abgeholt worden, Mrs. Sanchez?«
    »Sie haben Glück, Sergeant.«
    Glück, tja, so konnte man es auch nennen. Die drei Bungalows teilten sich einen Müllcontainer. Berge von faulig stinkendem Abfall. Aber wenigstens ließ der brennende Schmerz in seinem Arm langsam nach. Decker hatte sich schon hochgestemmt und war in den Container gesprungen, als ihm noch etwas einfiel.
    »Mrs. Sanchez«, rief er.
    »Ja, Sergeant?«
    »Könnten Sie mir einen Gefallen tun?« Er holte den Taschensiddur heraus. »Können Sie das solange für mich halten?«
    Sie nahm ihm das Buch ab.
    »Was ist das?« fragte sie.
    »Ein jüdisches Gebetbuch. Ich will nicht, daß es schmutzig wird.«
    Sie blätterte darin herum.
    »Gott steh Ihnen bei.« Sie lachte. »Ich warte im Haus. Ich muß den Kleinen wickeln.«
    Die Mühe machte sich bezahlt. Eine halbstündige Suche förderte einen Kontoauszug, mehrere Kreditkartendurchschläge und eine Zeitungsseite mit Wohnungsanzeigen zutage, von denen sieben rot eingekringelt waren. Als die Verwalterin Decker aus dem Container klettern sah, empfing sie ihn mit einem Glas Limonade.
    »Igitt«, sagte sie. »Sie stinken.«
    Er ging nicht auf die Bemerkung ein, sondern dankte ihr für die Erfrischung.
    »Wollen Sie sich vielleicht schnell duschen?«
    »Nein, danke«, sagte er. »Kann ich mein Buch wiederhaben?«
    »Meinen Sie nicht, Sie sollten sich vorher die Hände waschen?«
    Sie hatte natürlich recht. Er sah sich um und entdeckte einen Gartenschlauch.
    »Ich habe ein Waschbecken im Haus«, sagte sie.
    »Es geht schon.« Er wedelte mit den nassen Händen durch die Luft, und als sie kaum noch feucht waren, trocknete er sie sich an der Hose ab.
    »Was gefunden?« fragte sie.
    »Wie man’s nimmt. Wenn Truscott sich noch einmal meldet, rufen Sie mich bitte an.«
    »Wird gemacht.« Sie gab ihm den Siddur. »Und Sie beten tatsächlich mit dem Ding?«
    »Ja.«
    »Bei Ihrem Beruf haben Sie das bestimmt oft nötig.« Sie überlegte kurz. »Nichts für ungut. Aber ab und zu können wir doch alle ein bißchen Hilfe brauchen, was?«
     
    Als er wieder zu Hause war, duschte er sich rasch und wechselte den Verband. Obwohl der Arm immer noch geschwollen war und weh tat, hatte doch wenigstens der Druck ein wenig nachgelassen. Er dehnte die Schulter, schnitt eine Grimasse und zog sich wieder an. Für die Bates’, die Telefonanrufe und einen Besuch beim Arzt reichte die Zeit nicht, also mußte der Arzt erst einmal warten.
    In der Küche trank er in durstigen Zügen einen halben Liter Milch leer; im Schrank fand er eine Packung Kekse, von denen er sich eine Handvoll in den Mund stopfte. Kauend verließ er die Wohnung und machte sich auf den Weg zum Revier.
    Truscott hatte ein Girokonto bei der Security Pacific. Als Decker bei der Bank anrief, kam er nicht durch, also versuchte er es zunächst bei Visa und Mastercard. Truscott hatte nicht nur seine Adressenänderung nicht gemeldet, er war auch mit seinen Zahlungen beträchtlich im Rückstand. Niemand wußte, wo er sich aufhielt, aber bei beiden Kreditkartenunternehmen ließ man Decker wissen, daß man sich sehr freuen würde, wieder von ihm zu hören, falls er Truscott aufstöberte.
    Ihr könnt mich mal, dachte er. Macht eure Detektivarbeit gefälligst alleine.
    Als er es ein zweites Mal bei der Bank probierte, erfuhr er, daß Truscott sein Konto vor zwei Wochen aufgelöst und keine Nachsendeadresse hinterlassen hatte. Alma Sanchez konnte sich auf eine böse Überraschung gefaßt machen.
    Decker legte die Auszüge in die Bates-Akte und faltete die Zeitungsseite mit den Wohnungsannoncen auseinander. Von den Vermietern der sieben markierten Anzeigen hatten zwei noch nie von Truscott gehört, doch drei weitere erinnerten sich an ihn, obwohl sie ihm die Wohnungen nicht vermietet hatten. Decker wußte, daß er auf der richtigen Fährte war.
    Hat er eine Nummer hinterlassen, unter der Sie ihn erreichen können?
    Ja, aber ich habe sie weggeworfen.
    War Truscott allein? Ja.
    War die Müllabfuhr schon da? Ja.
    Vielen Dank.
    Bei den letzten beiden Nummern meldete sich niemand. Es war kurz vor vier. Zeit für Schwester Erin.
    Sie sah nicht so aus, wie Decker sie sich vorgestellt hatte. Sie wirkte älter als vierzehn, was aber nicht etwa daran lag, daß sie geschminkt gewesen wäre. Im Gegenteil. Sie gab sich absichtlich uneitel. Ihre langen, blonden Haare, die sie in der

Weitere Kostenlose Bücher