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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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geschämt!«
    »Nein?«
    »Ganz und gar nicht!« sagte Erin. »Ich persönlich würde lieber tot umfallen, als jemanden um Hilfe zu bitten, der jünger ist als ich. Es bringt mich ja schon fast um, daß ich mir in Algebra von Josh Berenson helfen lassen muß, aber wenigstens kann ich mich im Aufsatzschreiben bei ihm revanchieren. So gleicht es sich wieder aus.«
    »Ich verstehe.«
    »Aber Lindsey hat das überhaupt nichts ausgemacht. Sie ist einfach zu mir gekommen und hat gesagt: ›Erin … ich habe da ein kleines Problem mit meiner Buchbesprechung.‹« Sie seufzte. »Lindsey und ich, wir mochten uns, aber wir haben nicht viel miteinander geredet. Und wenn, dann hat sie meistens bloß versucht, mich zu verkuppeln. Aber ich habe mich nicht für die Jungen interessiert, die sie mir ausgesucht hat, wissen Sie? Ich stehe mehr auf ältere Männer. Ich brauche jemanden, der ein bißchen reifer ist.«
    Sie beugte sich vor.
    »Ich bin sogar schon von Männern Mitte Vierzig angemacht worden.«
    Ihr Blick huschte von Marge zu Decker und blieb ein Stück unter Deckers Gürtel hängen.
    »Aber damit kann ich umgehen«, flüsterte sie.
    Gott sei Dank, daß Marge mitgekommen ist.
    »Stand Lindsey auch auf ältere Männer?« fragte Decker.
    »Ach was, die doch nicht. Ihr Freund war ein netter Junge, aber eine Null. Ich weiß, daß das ein Werturteil ist.«
    »Hast du ihren Freund mal kennengelernt?«
    »Na klar. Sie hat Chris ab und zu mitgebracht, wenn Mom nicht da war. Mom mochte ihn nicht.«
    »Weißt du, warum nicht?«
    »Weil er eine Null ist. Aber ich definiere eine Null anders als meine Mutter. Für mich ist eine Null eine taube Nuß. Für Mom ist eine Null ein Habenichts.«
    »Hältst du es für möglich, daß Lindsey und Chris zusammen durchgebrannt sind?«
    »Möglich wäre es schon.« Sie senkte die Stimme und zwinkerte ihm zu. »Möglich ist alles.« Sie warf einen Blick auf Marge. »Muß die unbedingt dabei sein?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Vorschrift«, log er.
    Sie runzelte die Stirn.
    »Dann glaubst du also, daß Chris und deine Schwester zusammen weggelaufen sind?« fragte Decker.
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe bloß gesagt, daß es möglich wäre.«
    »Hast du je erlebt, daß Chris gewalttätig geworden wäre?«
    »Nein.«
    »Hat Lindsey dir irgendwann mal erzählt, daß Chris ihr gegenüber gewalttätig, brutal oder bösartig gewesen wäre?«
    »Nein. Nichts dergleichen. Die beiden waren wahnsinnig verliebt – wie Hero und Leander, die reinsten Sagengestalten. Er hätte ihr nie etwas getan.«
    Sie klang, als ob sie ihrer Sache sicher wäre.
    »Hat Lindsey mal etwas davon erzählt, daß Chris Nacktaufnahmen von ihr gemacht hat?«
    »Klar. Ich habe sie sogar gesehen. Mann, Lindsey hatte echt was drauf.« Sie senkte den Kopf. »Ich habe sie richtig beneidet um ihr tolles Aussehen und ihre Figur. Gott war einfach nicht fair, als er die körperlichen Attribute verteilt hat. Ich habe ihr gemeine Sachen an den Kopf geschmissen, um es ihr heimzuzahlen. Sie hat nie etwas gesagt, aber ich weiß, daß es ihr weh getan hat.«
    »Schwestern finden immer etwas, worüber sie streiten können, Erin. Das ist normal.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ja. Da mögen Sie wohl recht haben. Aber dafür habe ich auch oft nächtelang an ihren Aufsätzen rumgebastelt.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Decker. »Erin, kannst du dir vorstellen, daß Lindsey mehr gemacht hätte, als nur nackt Modell zu stehen?«
    »Zum Beispiel in einem Porno mitspielen?«
    »Ja, zum Beispiel in einem Porno mitspielen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«
    »Meinst du, Chris hätte sie dazu überreden können?«
    »Nein. So etwas hätte er nie getan. Nacktfotos sind eine Sache, aber wie ein rolliger Pavian gevögelt zu werden, ist etwas völlig anders.«
    Sie lächelte ihn aufreizend an. Decker übersah es geflissentlich.
    »Wußtest du, daß Lindsey Tagebuch geführt hat?«
    Das Mädchen antwortete nicht.
    »Erin?«
    »Was?«
    »Wußtest du, daß Lindsey ein Tagebuch hatte?«
    »Ach?«
    »Hast du es, Erin?«
    Wieder antwortete sie nicht.
    »Warum sagst du mir nicht, was du weißt, Erin?« fragte Decker sanft.
    »Ja, gut, ich habe es«, sagte sie. »Ich habe es an mich genommen, als feststand, daß Lindsey nicht mehr zurückkommen würde. Ich wollte nicht, daß meine Mutter es findet. Werden Sie es ihr sagen?«
    »Das muß ich leider«, sagte Decker.
    Das Mädchen zerdrückte wütend die Zigarette im Aschenbecher und

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