Das Horror-Telefon
Reich der Toten zurückgekehrt und wollte sich ihr offenbaren. Daß er dies nicht tun konnte wie ein Mensch, lag auf der Hand.
Für einen Geist gab es eben nur bestimmte Mittel und Wege, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen. Das mußte der Mensch akzeptieren, und daran mußte er sich auch gewöhnen.
Tom war also da!
Von diesem Grundgedanken ging sie aus, und plötzlich schaffte es Yvette zu lächeln. In ihre Augen trat ein Glanz, den sie sonst nur bei bestimmten Situationen erlebt hatte. Immer dann, wenn sie mit Tom sehr nahe zusammen gewesen war. In ihren intimen Stunden, in denen sie die Wunder der Liebe erlebt hatte, und die nur ihnen beiden allein gehört hatten.
So ähnlich fühlte sie sich jetzt.
Yvette setzte den rechten Fuß vor.
Sie wunderte sich darüber, wie locker und leicht sie gehen konnte. Da war nichts mehr von der Bedrückung und Verunsicherung zu spüren, die sie noch vor wenigen Minuten erlebt hatte. Hier lief alles so glatt, leicht, beinahe beschwingt.
Himmel, ich bin nicht mehr allein, hämmerte sie sich immer wieder ein.
Tom hatte es geschafft und den Weg zu mir zurückgefunden. Er will mich nicht aus seiner Kontrolle lassen. Er hat mich nicht vergessen.
Selbst das Jenseits ist nicht stark genug gewesen, uns auseinanderzureißen. Die Liebe zwischen uns beiden hat den Tod besiegt und ihm den Stachel gezogen. Yvette schaute dabei gegen die Decke. Sie hatte plötzlich den Wunsch, tanzen zu wollen. Die Depressionen, die Ängste, der gewaltige Druck, das alles war verflogen, wie weggeblasen. Jetzt zählte nur mehr die Freude über die neuen Tatsachen.
»Tom…«
Sie rief nun wieder seinen Namen und ließ ihn ausklingen.
Meldete er sich?
Nein, er hielt sich noch zurück, aber sie wußte, daß er in ihrer Nähe war.
Wenn sie ging, dann hatte sie manchmal das Gefühl, von einem Hauch gestreift zu werden, der über sie hinwegglitt wie eine Liebkosung und ihre Wangen streichelte.
Ab und zu schaute sie gegen das Telefon.
Es schwieg.
Bitte, melde dich. Melde dich doch, damit ich mit dir reden kann, Tom! Tu mir den Gefallen wieder. Ich weiß, daß du es kannst! Sehr intensiv dachte sie an ihren Verlobten und stellte sich ihn dabei stets als lebendige Person vor, die so gern gelacht und das Leben geliebt hatte.
Der Apparat blieb still.
Wenn sie doch eine Telefonnummer gehabt hätte, um ihn anrufen zu können. Eine Zahlreihe, die sie mit dem Jenseits verband, aber sie sagte sich gleichzeitig, daß es so etwas nicht gab.
Trotzdem blieb sie neben dem Telefon stehen und wollte den Hörer anheben.
Kaum hatte sie ihn berührt, als ihre Hand wieder zur Seite zuckte. Das war nicht der Hörer, sondern ein Stück Eis gewesen, das sie berührt hatte.
Furchtbar…
Yvette starrte den Apparat an. Sie schluckte den Kloß runter, bewegte ihre Augenlider, ohne die Augen allerdings zu schließen, denn sie wollte sehen, was geschah.
Nichts.
Kein Läuten, aber das Telefon war eisig geworden. Demnach mußte der Geist ihres Verlobten in Apparat und Hörer stecken. Er hatte durch diese Anlage den Weg aus dem Jenseits wieder zurück in die normale Welt gefunden.
Würde sie ihn auch sehen können?
Yvette lächelte, als sie daran dachte. Wenn sie ihn sah, wie war er dann wohl? Wie mußte man sich überhaupt Geister vorstellen? Yvette dachte an die Bilder und Zeichnungen, die sie in den entsprechenden Magazinen gesehen hatte. Da waren stets wallende, feinstoffliche Gestalten gemalt worden, ein bißchen naiv, eben so, wie sich auch Kinder einen Geist vorstellten. Aber das wollte sie nicht akzeptieren.
Ihrer Meinung nach ›meldeten‹ sich Geister auf andere Art und Weise, wie eben durch diese unnatürliche Kälte, die eingetreten war, obwohl sich die Raumtemperatur nicht verändert hatte.
Yvette ging dorthin, wo neben einem Bild ein schmales Thermometer an der Wand hing.
Es war nicht gefallen.
Sehr seltsam…
Die Kälte aber blieb, und zwar nicht so, daß sie selbst in ihren Körper hineinglitt. Sie war irgendwie wie Trockeneis, und Yvette mußte selbst über diesen Vergleich lachen.
Das Lächeln aber zerbrach, als sie wieder an ihren Verlobten dachte. Er hatte sich noch immer nicht gezeigt, aber er war da, sie spürte ihn überall, und er füllte den Raum sogar aus.
Wo konnte er stecken?
Sie schaute sich um. Wieder überkam sie das Gefühl, von zahlreichen Augen aus allen Ecken des Zimmers beobachtet zu werden. Sie starrten sie an, glotzten, sie lockten, aber sie würden sich ihr nie zeigen.
So
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