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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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bestimmt gewesen, damit man die Patienten nicht erst in die Stadt zu fahren brauchte. Dennoch hatte man ihn gewissermaßen »auf Zuwachs« gebaut, und diesen Umstand machte sich Kauters zunutze. Der Universaltisch war für jede Operation geeignet; eine Sauerstoffflasche, ein Knochenbohrer an der Wand sowie ein diathermischer Apparat, der an ein großes Rundfunkgerät erinnerte, vervollständigten die Einrichtung. Ein kurzer, türloser Gang, der ebenso wie der Saal mit kleinquadratischen, zitronengelben Fliesen ausgelegt war, führte in einen zweiten Raum. Ganze Schlachtreihen von Näpfen mit Chemikalien standen darin auf blechbeschlagenen Tischen. Daneben türmten sich Stöße von Gummischläuchen und Wäsche unter Glas. Zwei breite Schränke beherbergten die Geräte, die wohlgeordnet auf durchlöcherten Unterlagen ruhten. Selbst wenn es im Operationssaal dunkel war, glomm in dieser Ecke noch immer ein schwacher Schein, der von den Klingen der Skalpelle, den Haken und Pinzetten herrührte. Auf einem besonderen Tischchen warenflache Schalen mit Lugolscher Lösung abgestellt. Katgutknäuel weichten darin, die im Laufe der Zeit die Farbe von Bernstein angenommen hatten. Auf dem Wandbrett darüber leuchteten Reihen von Glasröhrchen mit weißer Seide für die Nähte.
    Schwester Gonzaga rollte den Instrumentenständer zum Operationstisch, der leicht geneigt auf drei dicken Beinen stand, und schob die großen Nickelsterilisatoren heran, die mit ihren hohen Gestellen wie Bienenstöcke aussahen. Stefan schaute sich hilflos um. Er wollte sich nicht so weit erniedrigen, die Schwester zu fragen, wer denn eigentlich operiert werden sollte. Da sich Schwester Gonzaga ans Waschbecken begab, warf er eine lange Gummischürze über, ließ einen brausenden Wasserfall auf seine Hände sprühen und seifte sie ein. Das Wasser rauschte, feine Tropfen rannen ununterbrochen über den beschlagenen Spiegel und hinterließen quecksilbrig opalisierende Streifen. Weiße Schaumfetzen bespritzten in hohem Bogen die Waschtische.
    Plötzlich ertönte von draußen Kauters’ Stimme: »Na, sachte, sachte!« Danach vernahm man ein unterdrücktes Ächzen, als schleppe jemand eine schwere Last. In der Pendeltür erschien die gerötete Glatze des Oberpflegers, der den bewußtlosen Rabiewski wie einen Sack auf dem Rücken trug. Er ließ ihn mit Gepolter auf den Tisch fallen, während Kauters seine Füße in weiße Gummigaloschen steckte und die Schwester fragte: »Ist ein zweites und drittes Komplet vorhanden?«
    »Jawohl, Herr Doktor.«
    Nachdem der Chirurg das Schürzenband im Nacken geknotet hatte, trat er auf das Wasserpedal und wusch sich mit automatischen Bewegungen die Hände.
    »Sind die Spritzen bereit?«
    »Ja, Herr Doktor.«
    »Die Nadeln müssen geschliffen werden.«
    Er brachte das rein mechanisch vor, ohne auf die Antworten zu reagieren. Nicht ein einziges Mal blickte er zum Tisch hinüber. Józef kleidete Rabiewski unterdessen aus, legte ihn auf den Rücken und schnallte ihm Hände und Füße mit weißen Gurten an den Klammergriffen fest. Zuletzt schabte er ihm den Kopf mit einem Rasiermesser. Stefan konnte dieses dumpfe Kratzen nicht ertragen. »Seifen Sie ihn doch um Himmels willen ein, Józef!«
    Józef brummte etwas – in Kauters’ Gegenwart ließ er sich von keinem anderen befehlen –, aber schließlich bequemte er sich doch, den Kopf des Patienten anzufeuchten. Der Bewußtlose röchelte langsam und merkwürdig flach. Der Pfleger sammelte die wenigen grauen Haarzotten auf, band eine große Anodenplatte an Rabiewskis Schenkel und trat zur Seite. Schwester Gonzaga war gerade mit Waschen fertig, sie warf die dritte und letzte Bürste in den Beutel und begab sich mit gehobenen Händen zu den Sterilisatoren. Józef half ihr, die gelbliche Gesichtsmaske, den Kittel und zu guter Letzt die dünnen Zwirnhandschuhe anzulegen. So schritt sie zu dem hohen Instrumentenpult; drei in Leinenkompressen gehüllte Tablette standen dort, wie sie aus dem Autoklav gekommen waren. Schwester Gonzaga zog die festgeklemmten Pinzetten ab und manövrierte mit den blinkenden Stahlstäbchen, die sie nach Wichtigkeit und Bedarf ordnete.
    Jetzt hatten Stefan und Kauters ihre Waschungen beendet. Stefan wartete, bis der Chirurg die Hände mit reinem Alkohol eingerieben hatte, und ließ sich dann ebenfalls einen dünnen Strahl über die Finger rinnen. Während er die brennende Flüssigkeit abschüttelte, musterte er besorgt seine Hände.
    »Ich habe einen Niednagel«,

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