Das Hospital der Verklärung.
für pathologische Anatomie gewesen sei und ihr gewisse Informationen vermitteln könne. Daraufhin fing sie an, interessante Degenerationserscheinungen des Hirngewebes zu beschreiben.
Staszek, der unterdessen in Stefans Zimmer auf das Ergebnis jener Bemühungen gewartet hatte, entdeckte plötzlich, daß die bisher erlittenen Qualen nichtig waren im Vergleich mit denen, die ihm noch bevorstanden; denner war fest überzeugt, daß Rygier das Mädel aus privaten Beweggründen zu sich gebeten hatte.
»Nun …« Stefan überlegte. Er hatte unlängst ein amerikanisches Lehrbuch gelesen, das auch psychotechnische Tests enthielt. Darin war zwar nicht von Liebe die Rede gewesen, doch Stefan versuchte sich die amerikanische Methode hier zunutze zu machen. »Sag, liebst du sie?«
Krzeczotek zuckte die Achseln. Er hatte die Beine über die Sessellehne gehängt und ließ sie nervös baumeln. »Auf dumme Fragen gebe ich keine Antwort. Ich kann weder arbeiten noch lesen, ich schlafe nicht, kann meine Gedanken nicht mehr zügeln, ich weiß, mich hat’s erwischt, und basta.«
Stefan wiegte bedenklich den Kopf. »Du wirst banal, das muß wohl die Liebe sein. Ich werde dich in ein Kreuzverhör nehmen: Brächtest du es fertig, ihre Zahnbürste zu benutzen?«
»Was für ein Blödsinn!«
»Antworte!«
Staszek zögerte: »Nun … vielleicht wirklich.«
»Und will es dir die Brust sprengen, spürst du ein ›göttliches Feuer‹ in dir?«
»Ja, manchmal.«
»Ha! Und jetzt bist du wütend, weil sie zu Rygier geht? Amor fulminans progrediens in stadio valde periculoso. Todsichere Diagnose. Keine Zeit mehr, an Prophylaxe zu denken, hier muß man zur Heilung schreiten.«
Staszek sah ihn finster an. »Mach keine dummen Witze.«
Er selbst würde nicht so viele Hindernisse zu überwinden haben, wenn er mit der Nosilewska anbändeln wollte, dachte Stefan in diesem Moment. Aber er verbarg seine Verwirrung hinter einem Lächeln. »Reg dich nicht auf. Ich lade sie morgen wieder ein oder lieber nach der Operation. Dann werde ich einen klaren Kopf haben.«
»Ich begreife nicht, wozu du einen klaren Kopf brauchst.«
»Also auf mich bist du auch schon eifersüchtig?« Stefan lachte. »Ich gebe dir Bromural, wenn du willst.«
»Danke, ich habe selber welches.«
Staszek machte sich daran, das Bücherregal durchzustöbern. Er blätterte im »Zauberberg«, legte ihn jedoch wieder beiseite, zu guter Letzt entschied er sich für den »Grünen Panther«.
»Das ist ein Kriminalroman, noch dazu ein auswegloser«, warnte Stefan.
»Um so besser, dann paßt er ja zu meiner Stimmung.«
Staszek wandte sich zur Tür. Von plötzlichem Mitleid erfaßt, fragte Stefan ihn noch: »Sag mal, möchtest du lieber, daß sie dich betrügt oder daß ihr etwas zustößt?«
»Erstens einmal kann sie mich gar nicht betrügen, weil nichts sie mit mir verbindet, und zweitens, was ist das eigentlich für eine Alternative?«
»Es ist so eine psychologische Testfrage. Antworte!«
Krzeczotek drückte heftig die Klinke herunter, senkte den Kopf und verließ, die Tür hinter sich zuknallend, kurzerhand das Zimmer. Stefan legte sich angekleidet aufs Bett. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er die ganze Zeit einen geheimen Groll gegen Staszek empfunden hatte, da er ihm die Sache mit dem Ingenieur nicht hatte anvertrauen können. Er sprang vom Bett, kauerte sich vor das Bücherregal und begann fieberhaft das Lehrbuch für Neurochirurgie zu suchen. Vielleicht verfuhr Kauters doch richtig? Aber er konnte es einfach nicht fassen. Das Buch sagte auch nichts Eindeutiges darüber. Im offenen Fenster wogte sacht die Mullgardine. Da klopfte jemand.
Es war Kauters.
»Herr Kollege, kommen Sie doch sofort in den Operationssaal!«
»Wie bitte?« Blitzschnell stand Stefan auf den Beinen, aber Kauters war schon gegangen. Die flatternden Schöße seines halboffenen Kittels verschwanden gerade im dunklen Korridor. Stefan lief die Treppe hinunter; vor Aufregung hatte er vergessen, in seinem Zimmer das Licht auszuschalten.
Es war eine feuchtwarme Nacht. Der Wind trug den starken, in der Nase prickelnden Geruch der Kornblüte heran. Stefan kürzte den Weg ab und lief quer über den Rasen. Die Schuhe glänzten vom Tau. Über eine eiserne Treppe gelangte er in den ersten Stock des Operationspavillons. Hinter der Milchglasscheibe machte sich eine weiße Gestalt zu schaffen.
Der Operationssaal war ursprünglich nur für kleinere chirurgische Eingriffe, wie Abszeßschnitte und dergleichen,
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