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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sagte er und berührte ärgerlich den über dem Nagel geschwollenen Finger. Kauterswar dabei, die Gummihandschuhe auf die nassen Hände zu streifen, was ihm ohne Talkpuder, den er verschüttet hatte, schlecht gelingen wollte.
    »Machen Sie sich keine Gedanken. Er hat bestimmt kein P. P. Übrigens kommen solche Sachen bei Gehirnoperationen nicht vor.«
    Józef stand weitab vom Tisch, da er sich nicht gesäubert hatte.
    »Licht!« befahl der Chirurg. Der Sanitäter drückte auf den Umschalter, der Transformator surrte, und eine große flache Jupiterlampe, die schräg über dem Tisch hing, warf einen bläulichen Lichtkreis auf die Stehenden.
    Kauters wandte sich kurz zum Fenster um. Sein Gesicht, bis an die Augen von der Maske verhüllt, schien dunkler als sonst. Von zwei Seiten traten die beiden Ärzte nun an den Bewußtlosen heran. Józef lehnte gleichgültig am Waschtisch, vom Spiegel schimmerte seine Glatze herab, riesengroß wie eine Sonnenblume.
    Zunächst wurde Rabiewski mit Kompressen bedeckt. Schwester Gonzaga schleuderte sie beinahe; mit blitzschnellen Bewegungen jonglierte sie die längliche Zange zwischen dem Sterilisator und den Händen des Chirurgen. Die großen Quadrate sterilen Leinens wurden, vom Rumpf zum Kopf hin, übereinandergeschichtet, und Stefan klemmte sie auf der anderen Seite mit Pinzetten fest.
    »Was machen Sie denn bloß? Richtig rein in die Haut!« rief der Chirurg leise, aber unerbittlich, und durch die Tücher hindurch kniff er mit einer spitzen Pinzette in die blasse Haut des Liegenden. Stefan, der den Anblick aufgeschnittener Leiber längst gewohnt war, konnte sich doch niemals eines Schauders erwehren, wenn die Tücher rings um das Operationsfeld an die Haut geheftet wurden. Dabei wußte er doch, daß der Patient unter Narkose stand. Aber der Ingenieur war ja nur bewußtlos. Plötzlich erzitterteder leinenbedeckte Körper, und die Zähne knirschten so hart aufeinander, als schabte jemand mit einem Kieselstein über Glas. Stefan blickte unwillkürlich zu Kauters auf. Der zögerte, schließlich winkte er ab: Na los, stechen Sie schon, wenn Ihnen das Vergnügen bereitet!
    Stefan betupfte den blanken Schädel, der aus den enggespannten Tüchern ragte, mit Jod, spritzte einige Stellen mit Novokain ein und massierte vorsichtig die in der Haut entstandenen Erhebungen weg. Als er den jodgebräunten Tupfer beiseite warf, streckte der Chirurg die Hand nach hinten, ohne sich umzuschauen; die Schwester schob das erste Skalpell hinein. Die flache Stahlklinge berührte ganz leicht die Stirn, ein Druck, und ein ovales Stück war herausgeschnitten. Kauters präparierte mit einer Pinzette die Faszie bis auf den Knochen, der dumpf knirschte. Dann legte er dem Patienten die Instrumente unsanft auf die Brust und ließ sich den Trepan zureichen. Der kleine Apparat, ein niedlicher eiförmiger Motor, der durch einen Stahlschlauch mit dem Bohrer verbunden war, stand hinter ihm. Schwester Gonzaga, reglos erstarrt, hielt in jeder ihrer gehobenen Hände mehrere Instrumente. Stefan vermochte noch in aller Eile mit einem frischen Tupfer über die mit hellem Blut anlaufende Schnittlinie zu wischen, als Kauters den Trepan auch schon in Gang setzte. Der Bohrer fraß sich in den Knochen hinein, wobei winzige Feilspäne aufwirbelten. Längs der Wundränder hinterließ er einen schmalen Steg blutigen Fleisches.
    Das Surren verstummte. Der Chirurg warf den Bohrer beiseite und verlangte das Raspatorium. Die Knochenplatte ließ sich jedoch nicht abheben, offenbar hakte sie noch irgendwo fest. Kauters drückte sanft mit drei Fingern darauf als wollte er sie in den Schädel stoßen.
    »Meißel!«
    Er setzte ihn schräg an und klopfte im Takt mit einemHolzhammer dagegen. Feine Splitter stoben, Blut überzog die Haut in kleinen Rinnsalen, die Tücher sogen sich allmählich mit purpurroten Flecken voll. Plötzlich schwankte das ganze Stück. Kauters hob mit dem Raspatoriumgriff die Knochenplatte an, drückte darauf, ein kurzes Krachen, als ob eine Nuß geknackt würde: Das Blättchen drehte sich und fiel zur Seite.
    Im blauen Licht glänzte die Hirnhaut, hart, ballonartig aufgebläht, mit einem dunkleren Netz von Adern überzogen, die in der Tiefe anschwollen. Kauters streckte die Hand aus, sie kehrte mit einer langen Nadel wieder. Er machte Einstiche in verschiedenen Richtungen, einmal, zweimal, dreimal.
    »So hab ich mir’s gedacht«, murmelte er. Seine Brille funkelte über der Maske wie ein kleiner Reflektor. Stefan, der

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