Das Hospital der Verklärung.
bisher nichts getan hatte, als die blutenden Löcher der schwammigen Knochenwunde mit sterilisiertem Wachs zu stopfen, neigte den Kopf weit vor, bis sich ihre mullverhüllten Stirnen berührten.
Kauters war sich offensichtlich nicht schlüssig. Mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand hielt er den Wundrand umfaßt, mit der rechten begann er die Hirnhaut ganz behutsam abzutasten. Darunter pulsierte, immer deutlicher erkennbar, das grau und rosa hindurchschimmernde Gehirn. Kauters hob den Kopf, als erwartete er von oben eine Eingebung. In seinen großen schwarzen Augen lag eine Erstarrung, die Stefan schaudern ließ. Die Finger in dem dünnen Gummihandschuh fuhren zweimal kreisförmig über die freigelegte Hirnhaut.
»Skalpell!«
Das war ein kleines Spezialmesser. Die Haut wollte zunächst nicht nachgeben – doch plötzlich sprang sie wie eine platzende Blase, und das Hirn spritzte aus der Tiefe. Ein im Takt des Pulses schlagender, rot anschwellenderBruch wölbte sich vor. Schleimige Blutfäden sickerten daran herab.
»Messer!«
Es war der diathermische Apparat, der jetzt im Baßton anlief. Schwester Gonzaga wickelte die Gaze von dem elektrischen Messer und drückte es in die nach hinten gestreckte Hand. Nun beugten sich beide Ärzte vor. Der Blutverlust war bisher geringfügig, größere Gefäße waren nicht angeschnitten, jedoch ließ sich noch nichts Genaueres feststellen. Ganz langsam, Millimeter um Millimeter, erweiterte Kauters den Schnitt. Endlich sah man klarer; die geschwollene Masse, die sich herausgeschoben hatte, war der Vorderpol des Stirnlappens. Als der Chirurg ihn mit einem Finger beiseite drängte, erschien in dem Spalt zwischen den beiden Hemisphären ein schmutziggelbes Gebilde, an das schwer heranzukommen war. Der Zeigefinger glitt über die teigähnlich aufgegangenen Hirnrindewindungen. Schließlich ließ sich ein Teil des Gewächses mit dem Pinzettenschaft erreichen. Vom Boden der Schädelhöhle, der, bevor, er sich mit Blut füllte, perlmuttblau wie das Innere einer Muschel aufblitzte, wuchs nach beiden Seiten ein blumenkohlähnlicher Tumor, an der Basis kompakt, nach oben zu locker, bedeckt mit einem braunen Brei.
»Löffel!«
Nun begann das Ausschöpfen der Schmiere, der mehr und mehr blutgetränkten Flecken und Fasern. Mit einemmal fuhr Kauters zurück; Stefan begriff nicht und erstarrte vor Schreck: Vom Boden der klaffenden Wunde, zwischen den beiden auseinandergepreßten Gehirnhälften – der Finger des Chirurgen stak noch immer darin –, spritzte ein hauchdünner Strahl hellen Blutes senkrecht hoch – die Schlagader! Kauters blinzelte, ihm waren ein paar Tropfen ins Auge geraten.
»Verdammt!« sagte er. »Gaze!«
Das Blut durchnäßte die Tampons. Ein Teil der Krebsgeschwulst befand sich noch im Innern, aber man konnte nichts mehr erkennen. Kauters rückte mit seinem Bauch vom Tisch ab, schlug die Augen zur Decke auf und fingerte geraume Zeit in der Wunde herum. Die Tücher sogen das Blut zunächst noch auf, bald jedoch überflutete es die alten Gerinnsel. So mußten schließlich die Kompressen gewechselt werden, denn Hände und Instrumente wurden bereits schlüpfrig. Stefan stand ratlos da und sah Kauters beunruhigt zu. Er fühlte, seine Maske war verrutscht und beengte ihm die Nase, aber er durfte sie nicht berühren. Der Chirurg schaltete mit dem Fuß die Diathermie ein und legte das Messer an.
Das Blut quoll offenbar aus den zerfallenen Geschwulstgeweben, denn kaum daß sich die ersten bläulichen Dünste von verbranntem Eiweiß erhoben und der charakteristische Brandgeruch durch die Gaze in die Nüstern stieg, hörte es zu fließen auf. Nur an den Pinzetten in der Wunde krochen rote Tropfen hinab wie Ameisen.
»Löffel!«
Die Operation ging weiter. Der Chirurg schnitt mit dem Thermokoagulator den oberen Teil des Tumors ab und löffelte ihn aus, als er abgestorben und abgekühlt war, wobei er die Reste mit dem gekrümmten Finger hervorholte. Je länger das aber dauerte, desto beschwerlicher wurde es. Der Tumor hatte die Hirnlappen nicht nur nach oben gedrängt, er war überdies mit ihnen verwachsen. Der Chirurg arbeitete immer lebhafter. Als er einmal tief in die Wunde griff, gab es ein knackendes Geräusch: Der Gummihandschuh war geplatzt, aufgeschlitzt an dem scharfen Knochenrand, und vom Finger gerutscht.
»So ein Mist!« fluchte Kauters mit dumpfer, vibrierender Stimme. »Streifen Sie mir das bitte ab.«
»Ein neues Paar, Herr Doktor?« fragte die Schwester und
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