Das Hospital der Verklärung.
züngelten durch die Maschen des Drahtgitters, der herbe Gestank erschwerte das Atmen. Stefan fuhr auf und stellte sich unwillkürlich neben den Alten, der geduckt in der Haustür stand. Und Woch beugte sich ein letztes Mal über eins der Meßinstrumente. Dann sprang er mit einem Satz zur Tür hinaus, als wäre er plötzlich wieder jung geworden. Nun waren sie zu dritt im Flur. Hinter den Drähten wurde es stiller; hier und dort in den Winkeln flackerten zwar noch blaue Flämmchen, aber der Donner grollte bereits in weiter Ferne, und nur der Regen trommelte mit unverminderter Stärke auf das Blechdach.
»Es ist vorüber«, sagte schließlich der Alte und zog die Tabakspfeife aus der Tasche. Stefan glaubte zu sehen, daß seine Hand zitterte, aber in dem Halbdunkel war er sich nicht sicher.
»Nun, so laßt uns also weiterleben.« Damit tat Woch die Sache ab und ging wieder hinein. Er reckte die Glieder wie nach einem guten Schläfchen, klatschte sich auf die Schenkel und nahm mit Schwung auf einem Hocker Platz.
»Kommen Sie herein, jetzt kann nichts mehr passieren.« Er winkte Stefan zu.
Der Donner war verhallt, aber es goß noch in Strömen, als sollte es nun wochenlang regnen. Der Alte schlurfte quer durch den Raum, um auf einem karierten Blatt etwas einzutragen. Dann verschwand er in der Ecke hinter einer Tür, die Stefan bisher verborgen geblieben war, und kramte nebenan unter heftigem Blechgeklapper. Mit Bratpfanne, Spitiruskocher und einem Topf voll geschälter Kartoffeln kehrte er zurück, setzte alles auf den Kisten und dem Fußboden ab und begann einen Imbiß zu bereiten. Dabei murmelte er in seinen Bart: »Was könnte man da geben, was könnte man bloß vorsetzen …?« und trippelte geschäftig hin und her, kochte und briet in einer Wolke verbrannten Fettes, schlug Eier auf und schnupperte mit andächtiger Miene daran. Woch indessen, der gewissermaßen die Honneurs machte, bat Stefan, doch bei ihnen abzuwarten, daß es zu regnen aufhörte. Stefan wollte ihn nach der Bedeutung des Vorgefallenen ausfragen, und Woch, nicht mundfaul, erging sich auch bereitwillig in langen Erläuterungen: Die Blitzableiter hätten sie gerettet, elektrische Entladungen seien etwas ganz Natürliches; es fielen die Worte Überströme, Überlastungs- und Überstromschalter. Für Stefan waren das alles böhmische Dörfer, aber er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Dinge hier eigentlich gar nicht so wichtig waren. Woch schien seine Gründe zu haben, die überwundene Gefahr zu bagatellisieren, denn daß eine solche bestanden hatte, bezweifelte Stefan keinen Augenblick; das Verhalten der beiden Elektriker hatte es ihm deutlich genug bewiesen. Zum Abschluß führte Woch ihn an die Apparate und Vorrichtungen, gestattete ihm sogar, einen Blick in jenes Gelaß zu werfen, in dem er vorhin mit Pościk gesprochen hatte. Dort hing an der Wand eine Art Eisenkessel mit Kupferschienenzuführung, und darunter befand sich eine ziemlich tiefe, mit Kies angefüllteGrube, angeblich, wie Woch erklärte, um einen Brand zu verhüten, wenn jener Kessel – es war ein Ölschalter – einmal bersten und siedendes Öl ausschleudern sollte.
»Und unter dem Kies, was ist da?« erkundigte sich Stefan in der ehrlichen Absicht, vernünftige, sachliche Fragen zu stellen. Woch aber maß ihn mit einem kühlen Blick.
»Was soll schon dort sein? Gar nichts.«
»Ach so.«
Sie kehrten in den Schaltraum zurück. Auf dem Tischchen hatten sich inzwischen eine kleine Flasche vierzigprozentigen Wodkas sowie Sauregurkenscheiben eingestellt. Woch füllte die Gläschen und prostete Stefan zu. Danach verkorkte er die Flasche wieder und steckte sie hinter einen Pfosten in eine Nische.
»Schnaps ist nämlich schädlich für uns«, erklärte er.
Sie saßen am Tisch einander gegenüber. Auf die Vorfälle während des Gewitters ging Woch nicht mehr ein, dafür wurde er um so herzlicher. Von dem Alten nahm er gar nicht Notiz. Woch hatte sein Jackett über die Lehne gehängt, der graue Sweater umspannte seine gewölbte Brust. Er zog eine Blechdose mit Tabak sowie Zigarettenpapier aus der Tasche und reichte Stefan beides mit den warnenden Worten: »Meiner ist aber stark!«
Stefan machte sich ans Drehen, doch es wollte ihm lange nicht gelingen. Schließlich hielt er einen in der Mitte bauchigen und an den Enden ausgefransten Wisch in der Hand, doch er befeuchtete das Blättchen so stark, daß alles auseinanderfiel. Woch, der den Unbeteiligten gespielt hatte,
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