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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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solche Ausdruckskraft, daß es einen tiefen Einschnitt in die Zeit bildete, und wollte er sich in den Krankenhausereignissen zurechtfinden, so diente es ihm als Merkmal. Er sprach mit niemand darüber – wozu auch. Sekulowski hätte der Art und Weise, wie Werkmeister Woch seine Krankheit schilderte, vielleicht noch einen literarischen Reiz abgewinnen können, Stefan jedoch ging es ja nicht darum. Worauf es ihm aber ankam, daß wußte er selbst nicht.
    Nach jeder Morgenvisite machte er seinen Spaziergang in die Umgebung, wobei er eine »Geschichte der Philosophie« bei sich trug. Doch er kam mit der Lektüre nicht so recht voran – er schob das auf die große Hitze, da er sich schämte einzugestehen, daß ihn die Spitzfindigkeiten der ontologischen Systeme nicht interessierten – und nahm deshalb ein zweites Buch mit auf die Wanderung, ein dickes, prachtvolles Exemplar von Tausendundeiner Nacht aus Kauters’ Bibliothek in lila Ledereinband. Hatte er die Waldgrenze überschritten, so setzte er sich an dem malerischen Plätzchen unter den drei hohen glattrindigen Buchen nieder – er stellte sich vor, daß Kautschukbäume ähnlich aussähen –, ließ die Beine in die mit Preiselbeersträuchern bewachsene Grube hinab und begann, blinzelnd wegen der auf den gelblichen Seiten zitternden Sonnenflecke, von den Abenteuern der Händler, Barbiere und Zauberer Kaschmirs zu lesen, während die »Geschichte der Philosophie« neben ihm auf einem Büschel trockenen Mooses ruhte. Er schlug sie nicht einmal mehr auf, trug sie aber stets bei sich, gewissermaßen als stumme Mahnung.
    An einem sengendheißen Vormittag, da nicht einmal der Wald Kühle spendete, gab der Mut der Verlassenheit Stefan mitten in der Geschichte vom Kalifen Harun al Raschid, der sich gerade als armer Wasserträger verkleidet hatte, um auf den Basaren seine Untertanen aus der Nähe kennenzulernen, den Gedanken ein, wie gut er es doch hätte, wäre er ein Arbeiter in dem Schalthaus. Er verwarf ihn gleich mit einem verlegenen Lächeln, und ein wenig Bitterkeit war darin, weil er sich auch darüber mit keinem aussprechen konnte.
    Gegen Abend brannte die Sonne nicht mehr so heftig. Zwischen den erwärmten Hängen und den schon abkühlenden Senken fegte der Wind in kurzen Stößen durch dasraschelnde Laub. Zu dieser Stunde kehrte Stefan dem Sanatorium noch einmal den Rücken. Diesmal wählte er nicht seine gewohnten Spazierwege, sondern strebte mit geheimer Erregung im Herzen dem Schalthaus zu, das er jedoch in weitem Bogen umging. Er traf aber keinen Menschen.
    Stefan vermied es stets, geradewegs zu dem Ziegelhäuschen vorzudringen, und begnügte sich lieber, seine roten Mauern und die leeren, sperrangelweit offenen Fenster von fern zu betrachten. Das Brummen begleitete ihn dann auf dem Heimweg. Diese Wanderungen bereicherten seine Träume um ein neues Thema: Zu wiederholten Malen erschien ihm das »elektrische Häuschen« auf dem Grunde der grasbewachsenen Mulde, dessen lockendes, monotones Dröhnen wie orientalische Musik klang. Eines Morgens, als er früher als sonst zum Wald aufgebrochen war, machte er einen Umweg, um von dem hügeligen Gelände einen Blick auf das Schalthaus zu werfen; da sah er mitten auf dem Pfad einen Mann auf sich zu kommen. Es war jener junge, kupferblonde Arbeiter; diesmal nackt bis zum Gürtel, in kalkbeschmierten Hosen, trug er mit federndem Schritt zwei Eimer voll Lehm. Stefan wußte nicht recht, ob er ihm ausweichen sollte oder nicht, aber er ging immerhin ein wenig langsamer. Der andere näherte sich rasch, seine Muskeln zuckten unter der bloßen Haut, aber sein Gesicht war gleichgültig, ausdruckslos. Er schritt an Stefan vorbei, ohne ihn eigentlich zu bemerken. Stefan glaubte trotzdem, erkannt worden zu sein, und ging in der eingeschlagenen Richtung weiter. Er mochte sich nicht umschauen.
    Etwa eine Woche später kehrte Stefan eines Nachmittags aus dem Städtchen zurück, wo er Einkäufe zu tätigen pflegte. Drückende Schwüle herrschte. Seit Stunden schon war hinter dem Horizont ein Grollen zu hören gewesen, dochder sengende, stechende Himmel blieb wolkenleer. Der sonnenüberflutete Boden des lehmigen Hohlwegs brannte unter den Sohlen wie glühender Beton. Als Stefan die von Fichten gesäumte Stelle erreicht hatte, erblickte er hoch über den Wipfeln eine Wolkenmauer. Die Landschaft färbte sich zusehends rot; dieses unheilverkündende Licht veranlaßte ihn, rascher auszuschreiten. Als er keuchend in die letzte Windung

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