Das Hospital der Verklärung.
einbog, sah er vor sich den Werkmeister Woch, der in gemächlicherem Tempo sein Rad führte. Als er Stefans Tritte vernahm, blickte er sich um. Er erkannte ihn sofort und grüßte; eine Zeitlang gingen sie schweigend nebeneinander her.
Woch trug einen Sweater und hatte sich eine dunkle Jacke mit zerknitterten Aufschlägen und Ärmeln umgehängt; seine Füße staken in ausgebeulten Stiefeln. Während Stefan, nur mit Hemd und Leinenhose bekleidet, am ganzen Leibe schwitzte, merkte man Woch die Hitze fast gar nicht an. Sein Gesicht war so grau und ausdruckslos wie immer, lediglich das Läppchen des verwachsenen Ohres schimmerte rot. Schon huschten schlängelnde, gelbliche Wolkenzungen über sie hinweg. Stefan hätte lieber einen Schritt zugelegt, aber er brachte das in Wochs Gegenwart nicht fertig, der unverdrossen in gleichmäßigem Trott dahinstapfte.
Der Hohlweg erweiterte sich zu ebenem Gelände. Die beiden schlugen einen Seitenweg ein, als der Sand zu ihren Füßen auch schon von den ersten riesigen Tropfen aufgewirbelt wurde. Das Schalthaus war aber bereits in Sicht.
»Am besten, Sie kommen mit, sonst werden Sie noch naß«, sagte Woch unvermittelt. Stefan nahm die Einladung gern an. Wortlos wandten sie sich dem Schalthaus zu. Immer häufiger zerplatzten jetzt schwere Regentropfen an Stefans Gesicht und Händen und besprenkelten ihm das Hemd und die helle Hose.
Auf dem kiesbestreuten Pfad vor dem Eingang blieb Woch stehen und sah sich noch einmal um, beide Hände auf die Lenkstange gestützt. Eine schwärzliche, brodelnde Wolke mit gelbem Bauch schoß gerade auf sie zu und riegelte den ganzen Horizont mit dunklen Bänken ab, von denen bläuliche Fühler zur Erde niedersanken.
»In meiner Heimat heißt so eine Wolke ›Rammelwolke‹«, sagte Woch und blickte prüfend zum Himmel. Stefan wollte den Witz mit einem Lächeln quittieren, aber Wochs beinahe düsteres Gesicht ließ nicht auf Humor schließen. Plötzlich stürzte mit entsetzlichem Rauschen ein Platzregen auf sie herab.
In zwei Sätzen erreichte Stefan den Flur. Woch war schon völlig durchnäßt; aber als beachtete er diesen Ausbruch des entfesselten Elements gar nicht, hob er in aller Gemütlichkeit zunächst das Vorderrad und dann das Hinterrad an und schob sein Vehikel in den engen Korridor. Erst nachdem er es an die Wand gelehnt hatte, wischte er sich mit dem Taschentuch gewissenhaft Augen und Wangen.
Durch die halb geöffnete Tür bot sich dem Betrachter die brausende Regenmauer, die alles unter sich begrub. Genießerisch atmete Stefan die zerstäubte Kühle ein. Anfangs freute er sich ganz einfach, der Sintflut trocken entronnen zu sein, ohne sich weiter Gedanken zu machen; als aber Woch die zweite Tür öffnete, wurde ihm bewußt, daß hier eine einzigartige Gelegenheit seiner harrte.
Er folgte Woch in das Innere des Häuschens, das aus einem mittelgroßen, dreifenstrigen Raum bestand. Wütend peitschte der Regen an die Scheiben, und ohne die zahlreichen Deckenlampen wäre es stockdunkel gewesen. In ihrem unbeweglichen Schein waren auf der einen Seite Wandpulte und Meßinstrumente zu sehen; die gegenüberliegendeWand erinnerte Stefan an einen Zoo, denn sie war mit Käfigen verstellt, die bis an die Decke reichten und mit graugestrichenem Drahtgitter eingehegt waren. Was sich in jenen hohen und auffallend schmalen Käfigen eigentlich befand, konnte Stefan nicht ausmachen, sicherlich aber keine Lebewesen, denn darin bewegte sich nichts. In der Mitte stand ein kleines quadratisches Tischchen nebst zwei Stühlen und einigen Kisten. Ein Gummiläufer bedeckte den Steinfußboden.
»Ist denn gar niemand da?« fragte Stefan erstaunt.
»Doch, der Pościk, er hat gerade Schicht. Warten Sie hier. Aber bitte nichts anrühren!«
In der Ecke neben den grauen Drahtkäfigen war noch eine Tür. Woch öffnete sie und rief etwas hinaus. Stefan vernahm eine gedämpfte Antwort. Woch ging in den Nebenraum und schloß die Tür hinter sich. Eine Minute vielleicht blieb Stefan allein. Die vom Geruch erhitzten Öls getränkte Luft hallte wider von einem dumpfen Dröhnen, dessen Herkunft ihm unerklärlich war; er hörte die Regenböen draußen klatschend über das Blechdach fegen.
Als Stefan sich so umschaute, bemerkte er etwas Glänzendes hinter den Drahtgittern. Näher tretend, erblickte er im Hintergrund senkrecht verlaufende Kupferschienen und die Porzellanglocken von Isolatoren. Mit einmmal erreichten ihn die Stimmen von nebenan. Er hörte Woch sagen: »Bist
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