Das Hospital der Verklärung.
alles. Ich danke Ihnen.«
Der Professor verließ sofort den Saal. Stefan warf einen Blick auf die Uhr, beugte sich rasch zur Nosilewska hinüber und wiederholte seine Einladung. Sie war ein wenig verwundert wegen der späten Stunde, willigte aber schließlich doch ein.
Die anderen Ärzte standen noch an der Tür. Im Vorbeigehen sahen sie, daß Marglewski Rygier an einem Knopf festhielt und fieberhaft auf ihn einredete. Kauters kaute schweigend an seinen Nägeln.
»Authentisches Wahnsinnsverlangen!« fing Stefan auf.
In seinem Zimmer setzte er Staszek an die Seite der Nosilewska, entkorkte eine Flasche Wein, schüttete ein paar Kekse auf die Teller und holte noch den Curaçao hervor, den Tante Skoczyńska ihm unlängst geschickt hatte. Er trank eine Runde mit, dann fiel ihm plötzlich ein, daß er unbedingt noch einmal in Pavillon drei hineinschauen müsse, räusperte sich, murmelte eine Entschuldigung und ging im Gefühl einer gut erfüllten Pflicht.
Eine Zeitlang irrte er durch die Korridore und überlegte, ob er Sekulowski besuchen sollte oder nicht, da erwischte ihn Józef der Ältere in einer Fensternische. »Ach, Herr Doktor, gut, daß ich Sie getroffen habe. Der Paścikowiak aus Zimmer siebzehn, wissen Sie, der macht Quatsch.«
Józef hatte seine eigene Terminologie. War ein Patient unruhig, so pflegte er zu sagen, er »betätigte sich« »Quatsch machen« war schon ein ernsteres Symptom.
Stefan folgte ihm.
Ein Dutzend Kranker sah mit mäßiger Anteilnahme einem Mann im Schlafrock zu, der wie ein Frosch hüpfte,drohende, wenngleich niemand ängstigende Schreie ausstieß, die Zähne fletschte, ungebärdig wütete, mit den Beinen ausschlug und, als er endlich sein Bett erreicht hatte, das Laken zerfetzte.
»Holla! Holla! Paścikowiak, was soll das heißen?« begann Stefan jovial. »Sie sind doch sonst so ein friedlicher, zivilisierter Mensch, und nun machen Sie solche Streiche?«
Der Irre sah ihn scheel an. Er war klein und schmächtig, sein Schädel und die langen Finger schienen einem Buckligen zu gehören. Sichtlich beschämt murmelte er: »Ach … Also Sie haben heute Dienst? Und ich dachte, Dr. Rygier wäre dran. Verzeihung, ich höre schon auf.«
Stefan, der Rygier nicht leiden mochte, lächelte und fragte: »Und was haben Sie gegen Dr. Rygier?«
»Äh … das ist nur so … Schluß damit, Herr Doktor. Wenn Sie Dienst haben, wird nicht gemuckt.«
»Ich habe gar keinen Dienst. Ich bin nur so vorbeigekommen«, sagte Stefan, aber da ihm das zu vertraulich klang, berichtigte er sich pflichtschuldig: »Nun, machen Sie keine Dummheiten. Ob ich da bin oder Dr. Rygier, ist einerlei. Sie bekommen sonst einen Schock, und was haben Sie davon?«
Paścikowiak setzte sich auf das Bett, um das Loch im Laken zu verdecken, und bleckte die Zähne in blödem Grinsen. Laut Krankenblatt war er ein Schwachsinniger, doch seine unerhörte Pfiffigkeit ließ er nur mit Mühe eine eindeutige Diagnose zu. Beim Weggehen warf Stefan noch einen Blick in den benachbarten Saal. Auf dem ersten Bett an der Tür brummelte ein Idiot, ein Veteran des Sanatoriums, leise vor sich hin. Er hatte sich die Decke über den Kopf gezogen. Mehrere Kranke saßen, einer machte sich an seinem Lager zu schaffen.
Stefan trat ein. »Na, wie geht’s?« fragte er.
Ein abgezehrtes Gesicht mit rötlichem Bartwuchs, gelben Augen und zahnlosem Mund schälte sich aus der Decke heraus. Das Murmeln wurde lauter.
»Nun, wieviel ist … einhundertdreizehntausendzweihundertfünf mal achtundzwanzigtausendsechshundertdreißig?«
Das war eine besondere Gunst: Der Kauernde nuschelte jetzt inbrünstig, fast betend, und stammelte nach einer Weile: »… zig … Millionen … send … der … fuffzg …«
Stefan brauchte nicht nachzuprüfen. Er wußte, daß es ein phänomenaler Rechenkünstler war, der sechsstellige Zahlen mühelos in wenigen Sekunden multiplizierte oder dividierte. Anfangs hatte Stefan ihn ausfragen wollen, wie er das mache, hatte aber nur ein ärgerliches Knurren zur Antwort erhalten. Einmal lockte Stefan ihn mit einem Stück Schokolade aus der Reserve, und der Idiot versprach ihm, dafür sein Geheimnis zu lüften. Nachdem er dann auch irgend etwas gebrabbelt und sich mit Schokolade begeifert hatte, sagte er: »Bei mir sind so Schubfächer im Kopf. Hopp, hopp, die Tausender hier, die Millionen da, hopp, hopp, und fertig.«
»Wieso fertig?« fragte Stefan enttäuscht.
Der »Mathematiker« deckte sich wieder zu, und sein Gesicht strahlte
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